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Amerikas heißester Sommer (III)

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„Commonweal“ ist der Name einer bekannten katholischen Wochenzeitung, die in New York erscheint. Von einer privaten Vereinigung 1924 gegründet, ist „Cornimonweai“ schon seit langem eine der angesehensten, weil wirklich unabhängigen Stimmen des katholischen Amerika. Edward S. Skillin, der Herausgeber, bestätigte mir, daß die Zeitung ihre spezifische Note der Tatsache verdankt, daß sie von allen Organisationen unabhängig ist. „Die letzte Intervention von Seiten der Bischöfe war 1938, als .Commonweal' das Verhalten Kardinal Innitzers kritisierte.“ Diese Unabhängigkeit macht es möglich, daß „Commonweal“ sowohl gegenüber kirchlichen Einrichtungen als auch gegenüber bestimmten Erscheinungsformen der US-Gesellschaft kritisch Stellung nimmt. Kritik — woran?

Skillin meinte, daß gewisse Traditionsströme vor allem des irischen Katholizismus in den USA eine Öffnung der Kirche erschweren. „Die ganze Atmosphäre des US-Katholizismus begünstigte die in theologischen und politischen Fragen besonders konservative Haltung der amerikanischen Bischöfe während des Konzils.“

Der „ethnische Katholizismus“

„Commonweal“ zählt auch zu den Organen, die Johnsons Vietnam-politik, das Fehlen einer wirksamen Integrationspolitik in der Bürgerrechtsfrage und die amerikanische Haltung gegenüber der „dritten Welt“ kritisieren. Aber diese Stimmen repräsentieren eher eine Minderheit der US-Katholiken. Die Mehrheit der Katholiken ist in diesen entscheidenden politischen Fragen erzkonservativ. In Chikago konnte ich die Reaktion der Katholiken auf die Kardinalserhebung ihres Erzbischofs Cody beobachten: Sehr viele Katholiken reagierten kühl und reserviert, weil Kardinal Cody während der Rassenunruhen des Vorjahres scharf jeden versteckten Rassismus unter den Katholiken verurteilt hat. Für diesen versteckten Rassismus ist die Masse der Katholiken in den USA (Chikago ist hier ein gutes Beispiel) zweifellos besonders anfällig. Diese Anfälligkeit ist soziologisch bedingt: Noch immer wird die katholische Kirche vor allem von den Nachkommen der irischen, italienischen und polnischen Einwanderer getragen, die in ihrer Mehrzahl der unteren Mittelklasse zuzuzählen sind. Senator McCarthy war der typische Repräsentant dieser Katholiken und ihrer Mentalität. Die untere Mittelklasse tendiert dazu, das besonders zu betonen, was sie von den sozial untersten Schichten der Gesellschaft trennt; und das ist in den Großstädten der USA die Hautfarbe. Die „weiße“ Haut wird so zum Statussymfool, zum Kriterium für bestimmte soziale Privilegien.

Die Verflechtung der Kirche mit den Einwanderern aus den traditionell katholischen Ländern Europas schafft das, was der protestantische Theologe Harvey Cox „ethnischen Katholizismus“ nennt und was ihn veranlaßt, von der katholischen Kirche als einer „Kirche der Emi-

granten“ zu sprechen. Cox, Professor in Harvard, Autor umstrittener Bücher, ist der bekannteste der „progressiven“ protestantischen

Theologen in den USA. Er ist auch führend in der ökumenischen Bewegung tätig. „Die Beziehungen zwischen Katholiken und Protestanten sind, auf der Ebene der Theologen, in einer .Honeymoon'-Periode“, stellte Cox in einem Gespräch, das ich mit ihm führen konnte, fest. „Aber auf der Ebene der Praxis, der Seelsorge, hat sich wenig verändert.“ Cox führte auch kritisch an, daß die Führer protestantischer Gruppen viel aktiver in ihrer Opposition gegenüber dem Vietnamkrieg sind als die Katholiken. „Jetzt haben sich allerdings auch drei katholische Bischöfe der Bewegung .Negotiations now' (.Verhandlungen jetzt') angeschlossen.“

Der Zwang zum Administrieren

Eine der Hauptursachen für das häufig festzustellende Kleben der katholischen Kirche an überholten Positionen ist — nach Cox — der auf den Bischöfen lastende Zwang, finanzielle Mittel für ihre Diözesen aufzutreiben. Da eine staatliche Unterstützung oder ein steuerähnliches Beitragssystem für die Amerikaner unvorstellbar ist, verbraucht die finanzielle Frage einen Großteil der bischöflichen Energien. „Manche Bischöfe sind finanzielle Genies und würden sich in Wallstreet gut ausmachen, aber ihre Diözesen sind dann oft Inseln des reaktionären Katholizismus.“

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