6746055-1967_09_01.jpg
Digital In Arbeit

Donau

Werbung
Werbung
Werbung

Vor ungefähr fünfzehn Jahren war es. Damals inspirierte der Schreiber dieser Zeilen in einer akademischen Monatsschrift eine Umfrage. „Auf Wiedersehen im Donau-Europa“:, lautete der provokante Titel. Junge Tschechen, Ungarn, Kroaten und Österreicher wurden um ihre Meinung gebeten, ob es für die Völker des Donauraums je wieder eine gemeinsame Zukunft geben könne. Es war dies der Versuch, einer „Hoffnung wider alle Hoffnung“ Ausdruck zu geben.

Warum wir uns gerade in dieser Woche der Artikelserie von ehedem erinnern? Vor uns liegt die erste Nummer der „Budapester Rundschau“, einer unter Leitung von Ferenc Padl in deutscher Sprache re-digiertenungarischenWochenzeitung. Diese Tatsache wäre an sich schon bemerkenswert. Noch interessanter aber scheint uns, daß in der ersten Nummer des Blattes, das ohne Zweifel unter der Patenschaft des ungarischen Außenministeriums erscheint, ein bestimmter Ton angeschlagen wird. So äußert sich der ungarische Außenminister Jänos Peter persönlich sehr ausführlich über „Ungarn und Europa“, undTibor Pethö erläutert eine Seite später, welches Europa man heute vor allem in Budapest meint, wenn man dieses Wort gebraucht. Seine Untersuchung gilt nämlich den „Gemeinsamen Ideen und Interessen im Donauraum“. Um keine Illusionen zu nähren: Vieles in der Argumentation entstammt einem geistigen Sprachschatz, der nicht der unsere ist. Über manche historische Exkurse könnte man wahrscheinlich stundenlang debattieren. Hinter diesem Wortschleier aber ist eine neue Sicht der mitteleuropäischen Politik das erstemal zu erblicken. Vom Flieden in der Welt ist die Rede und von einem gesamteuropäischen System der Sicherheit. Das ist nicht ganz neu. Neu aber ist, daß — und hier begegnen sich die in Budapest geäußerten Meinungen mit unseren Auffassungen — „Regionale Sicherheitssysteme die Voraussetzungen für ein gesamteuropäisches System der Sicherheit und des Friedens darstellen“. Und Budapest wird noch konkreter, wenn es, nachdem interessanterweise an den Tardieu- und Hodia-Plan der Zwischenkriegszeit erinnert wird und Parallelen zu der sich anbahnenden Zusammenarbeit auf dem Balkan zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftssysteme gezogen werden, eine engere Kooperation zwischen Österreich, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Ungarn anregt.

Der hier geworfene diplomatische Ball sollte von der österreichischen Politik — von einer österreichischen Politik, die die Aufgaben dieses Landes erkennt — aufgefangen und auf den politischen Prüfstand getragen werden. Dabei wird es nicht zuletzt an Ungarn liegen, durch das von Jugoslawien geschaffene und von Bulgarien aufgenommene „Modell“ (Visafreiheit und Beseitigung jeder „technischen Grenzsperren“) jedem Donau-Europäischem Gespräch den realen Untergrund zu verschaffen.

Man spricht wieder von Donau-Europa. Die Logik der Geschichte verlangt ihr Recht. Wenn wir einmal für einige Minuten träumen, so sehen wir eine Konföderation der beiden deutschen Staaten, von der in diesen Wochen wieder stärker die Rede ist, nur dann einmal Wirklichkeit werden, wenn eine engere Kooperation der Staaten des Donauraums der europäischen Politik die dafür nötige Balance anbietet. Deshalb: Willkommen, Schwalbe aus Budapest. Mag es bis zum Sommer auch noch einige Zeit dauern!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung