Den Preis des Kriegs zahlen die Ärmsten

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Die von bewaffneten Konflikten verursachte Zerstörung und Unsicherheit sind die größten Hindernisse für Entwicklung.

Es hat einmal eine Zeit gegeben, noch gar nicht lange her, da erntete der Bauer Dieka Issa Outtara knapp acht Tonnen Kakao auf jedem seiner 20 Hektar Land. Prall gefüllte Säcke hat er dann mit Lastwagen zum nächstgelegenen Hafen geliefert, und jedes Jahr ist er ein wenig wohlhabender zurückgekehrt.

Die International Herald Tribune hat dem Landwirt Outtara letzte Woche eine große Reportage gewidmet - um zu veranschaulichen, wie der 2002 ausgebrochene und seither schwelende Bürgerkrieg die Elfenbeinküste in die Armut treibt. Denn in diesem Jahr hat Outtara zu kämpfen, dass er eineinhalb Tonnen Kakao pro Hektar herausbringt, zudem ist der Preis um ein Viertel gesunken und für den Transport muss der Bauer um 2000 us-Dollar mehr als früher zahlen - Bestechungsgeld für die Soldaten und Freischärler entlang der Straße. "Das ist der Preis, den wir für den Krieg bezahlen: Wir können keine Düngemittel kaufen, wir können uns nicht frei bewegen - wir sind im Krieg", klagt Outtara.

Im Strudel des Verderbens

Im Krieg sein, heißt für Entwicklungsländer, in einen Strudel des Verderbens gerissen zu werden: "Konflikt verschärft die Armut, wirft das Wachstum zurück, untergräbt Investitionen und zerstört die Infrastruktur, von der Fortschritte im Wohlergehen der Menschen abhängen", heißt es im Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 und weiter: "Konflikte fördern hohe Militärausgaben und zweckentfremden Mittel, die produktiv investiert werden könnten. Konflikte tragen außerdem durch den Zusammenbruch der öffentlichen Dienstleistungen und eine höhere Anzahl von Flüchtlingen und Vertriebenen zur Ausbreitung von Unterernährung und Infektionskrankheiten bei."

Afrika wird Synonym für Krieg

Das geografische Muster von kriegerischen Auseinandersetzungen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: Von 1946 bis 1989 fanden rund ein Drittel aller Konflikte in Entwicklungsländern statt. Zwischen 1990 und 2003 entfielen schon mehr als die Hälfte gewaltsamer Konflikte auf Länder mit niedrigem Einkommen, wobei sich knapp 40 Prozent dieser Kriege in Afrika ereigneten. Zwar gibt es mittlerweile deutlich weniger Kriege als noch vor fünfzehn Jahren (1991: 51, 2003: 29), doch sie dauern heute länger, spielen sich meistens innerhalb von Staaten ab und der Großteil ihrer Opfer sind Zivilisten.

Neben der eingangs erwähnten Tragödie in der vom Bürgerkrieg zerrissenen Elfenbeinküste sorgt derzeit vor allem der Sudan für Negativschlagzeilen: Der vor kurzem mit einem Friedensvertrag befriedete Konflikt im Süden des Landes und der nach wie vor aktuelle Bürgerkrieg in Darfur machen deutlich, dass Kriege nicht nur durch Kugeln töten, sondern auch durch die Aushöhlung der menschlichen Sicherheit Rückschritte bei der Entwicklung auf Generationen hinaus weitergegeben werden (siehe Interview unten).

In Afrika werden die Nettoeinbußen bei der landwirtschaftlichen Produktion, die in den letzten dreißig Jahren auf bewaffnete Konflikte zurückzuführen waren, auf 25 Milliarden us-Dollar geschätzt - das entspricht drei Vierteln der gesamten Entwicklungshilfe, die im selben Zeitraum geleistet wurde.

Mehr Krieg = weniger Schule

Darüber hinaus errichten gewaltsame Konflikte Bildungsschranken: Eltern schicken ihre Kinder nur widerwillig zur Schule, wenn ein Sicherheitsrisiko besteht. Neben den Frauen tragen Kinder generell die Hauptlast von Konflikten, und sie sind zudem noch einer weiteren Gefahr ausgesetzt: der Zwangsrekrutierung als Soldaten.

Menschliche Sicherheit kann nur von den Entwicklungsländern selbst geschaffen werden, sie lässt sich nicht importieren. Doch den entwickelten Ländern kommt bei der Friedenssicherung eine zentrale Rolle zu - und sie haben alle Gründe zu handeln, fordert der Bericht über die menschliche Entwicklung: "Auf der Grundlage eines moralischen Imperativs, aber auch aus Eigeninteresse."

"Konfliktsensible Hilfe"

Zu "konfliktsensibler Entwicklungshilfe" gehört, dass Geber die Auswirkungen ihrer Unterstützung auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen eines Landes berücksichtigen und damit nicht (unbeabsichtigt) Ungleichheit und Ressentiments fördern.

Dringender Handlungsbedarf besteht auch darin, die Verbindungen zwischen den Konflikten und Bodenschätzen eines Landes zu unterbinden. Das heißt: kein Markt für Rohdiamanten, Nutzholz oder Erdöl aus Krieg führenden Regionen. Umgekehrt muss der Export von Kleinwaffen von den reichen zu den armen Ländern gestoppt werden, denn der Verkauf von Schusswaffen an Privatarmeen und Milizen treibt den Kreislauf der Gewalt weiter an.

Falsch ist es jedenfalls, konfliktträchtigen Staaten Entwicklungshilfe gänzlich zu verwehren. Damit wäre es diesen Regionen gänzlich unmöglich aus dem Teufelskreis - wenig Entwicklung, mehr Konflikte, mehr Konflikte, wenig Entwicklung - auszubrechen. Und jene Zeiten würden nie zurückkehren, in denen Dieka Issa Outtara wieder prall gefüllte Kakaosäcke zum Hafen transportiert.

Nächste Woche Teil 6: Die Rolle der Zivilgesellschaft.

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