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Heißes Eisen - abgekühlt

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Wenn in Österreich überhaupt etwas weitergeht, dann ganz knapp vor den Sommerferien. Es scheint, als ob sich Regierung und Parlament das gute Gewissen, Urlaub machen zu können, mit einer verstärkten Arbeit erkaufen wollten. Nicht ganz trifft dies allerdings bei den zwei Teilverträgen des Konkordats zu, die vor einer Woche unterzeichnet wurden und voraussichtlich in der nächsten Woche dem Parlament zur Ratifizierung vorliegen werden. Nicht nur deswegen, weil diese Verträge in ihrer Bedeutung die übliche Routinearbeit der Koalition weit übersteigen, sondern weil sie schon seit Jahren in Behandlung standen und praktisch auch schon seit Monaten gelöst waren. Die Paraphierung der beiden Verträge zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl, die vermögensrechtlichen Abmachungen und der Vertrag über die Errichtung einer Diözese Eisenstadt, hat in der österreichischen Öffentlichkeit ein sachliches, man k?nn fast sagen freundliches Echo gefunden. Bei der Ratifizierung durch das Parlament wird es hoffentlich nicht anders sein. Wer hätte dies vor zehn Jahren, als zum erstenmal wieder nach dem Krieg die Frage nach der Gültigkeit und Wirksamkeit des österreichischen Konkordats von 193“ auftauchte,, je für möglich gehalten? Und noch vor wenigen Jahren hat ein prominenter österreichischer Politiker hohen Beamten der römischen Kurie gegenüber erklärt, daß das Konkordat von 1934 wohl nur um den Preis eines Bürgerkrieges wirksam gemacht werden könne. Diesen Bürgerkrieg hat es, Gott sei Dank, nicht gegeben, wohl aber etwas, was Bürgerkriege immer vermieden hätte: Verhandlungen, zähe, geduldige Verhandlungen und den Willen, den absoluten Willen, in diesen Verhandlungen zu Lösungen zu kommen. Wichtiger fast als die eigentlichen Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern, zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl, waren die Gespräche, die innenpolitisch die Hindernisse wegräumten und den einen Partner, nämlich die österreichische Regierung, überhaupt erst instand setzten, Verhandlungen mit dem Vatikan aufzunehmen. Gewiß ist das Konkordat als ein Völkerrechtsvertrag eine Rechtsfrage und will mit juristischen Mitteln behandelt werden. Jedermann weiß aber, daß Konkordate eine politische Angelegenheit sind und daß das österreichische Konkordat in besonderem Maße eine politische Frage war. Eine politische Frage wird das Konkordat gewiß auch weiterhin bleiben, aber vielleicht sind wir jetzt auf dem Weg, die Fragen des Konkordats als innenpolitische Waffe auszuschalten. Um diese Ausschaltung des Konkordats aus der Innenpolitik hatten sich die Gesprächspartner bemüht, und wenn man bedenkt, welche Auffassungen früher vertreten wurden, kann man ermessen, welche Schwierigkeiten es hier zu überwinden gab. Da war einmal die Haltung der Sozialisten oder mancher Sozialisten, für die die Kirche nur ein privater Verein war, einzig und allein dem Vereinsrecht und dem Innenministerium unterstellt:, Mit der Kirche wird nicht verhandelt, sondern über die Kirche wird ganz einfach legislativ entschieden, ebenso wie über einen Sparverein oder eine Konsumgenossenschaft.“

Diese Ansicht stand in merkwürdiger Nachbarschaft mit einer anderen Ansicht, die aber beileibe nicht von den Sozialisten vertreten wurde. Sie entsprang einem josephinischen Staatskirchendenken und meinte, es wäre Aufgabe des Staates, die Konkordatsmaterie, vor allem jene, die durch die Entwicklung der Gesetzgebung in den letzten 20 Jahren unwirksam geworden war, durch innerösterreichische Gesetze, in bester Absicht und nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten, zu regeln, um dann dem Vatikan diese Regelung bekanntzugeben, eventuell mit dem Nachsatz: Mehr wäre eben nicht zu machen. Schließlich gab es noch Politiker hüben und drüben, die meinten, am besten wäre es, die ganze Konkordatsfrage liegenzulassen. Ein nicht abgeschlossenes Konkordat ist propagandistisch doch besser als ein abgeschlossenes, meinten manche Politiker von der Rechten, und ein Konkordat wäre doch ein Rückfall in das Mittelalter, meinten Politiker von der linken Seite. Nun, sie alle haben nicht Recht behalten. Das Konkordat vom Jahre 1934 ist ein gültig abgeschlossenes und daher wirksames Konkordat, mag man sich zu einzelnen Punkten seines Inhaltes auch verschieden stellen. Am 21. September 1957 hat die österreichische Bundesregierung die Gültigkeit des Konkordats anerkannt. Das war weit mehr als ein platonisches Lippenbekenntnis, eine rein theoretische Feststellung ohne praktische Auswirkung, wie jene meinten, für die ein nicht abgeschlossenes Konkordat noch immer besser war als ein abgeschlossenes. Mit der Anerkennung des Konkordats waren gleichzeitig auch alle jene Bestimmungen des Konkordats wirksam geworden, denen nicht zur Zeit noch in Österreich geltendes Recht entgegensteht. In einer dieser Materien wurde nunmehr eine Einigung erzielt: in der Regelung der vermögensrechtlichen Ansprüche. Der andere der beiden kürzlich abgeschlossenen Verträge, die Errichtung einer Diözese Eisenstadt, beruft sich ausdrücklich auf die betreffenden Bestimmungen des Konkordats. Was noch bleibt, ist sicherlich nicht wenig. Da ist die Frage der Subventionierung katholischer Privatschulen. Auch hier gibt es keine prinzipiellen Hindernisse mehr, wenn auch diese Frage mit dem Problem der österreichischen Schulgesetzgebung gekoppelt erscheint. Und da ist schließlich die Ehefrage. Auch sie ist nicht so unlösbar, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Es wäre jedoch illusorisch, hier auf einen Kompromißvorschlag der Kirche warten zu wollen. Sache des Staates ist es, hier den Entwurf eines österreichischen Ehegesetzes vorzulegen.

Die beiden Verträge, die nunmehr unterzeichnet wurden, sind nicht Meilensteine auf dem Weg zu einem neuen Konkordat, sie sind Ausführungen bzw. Abänderungen des bestehenden Konkordats.

Es ist gewiß ein Zufall, daß diese Verträge unterzeichnet wurden, wenige Tage, bevor Österreich den Besuch des sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow erhält. Die Existenz eines kleinen Landes wie Österreich ist geknüpft auch an die Existenz und Beachtung von Verträgen. So wie Österreich im weltpolitischen Spiel genau bedacht sein muß, daß die Großen der Welt jene Verträge, die diesem Österreich wieder seine Freiheit gaben, achten und espektieren, so muß das kleine Österreich auch gegenüber jenen Mächten, die nicht über Atomwaffen und Panzer verfügen, seine Verpflichtungen einhalten.

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