Beckermann - © Maria Kracikova

Ruth Beckermann: "Von Auschwitz kann man nichts lernen!"

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Für Ruth Beckermann läuft beim Versuch, mit der Vergangenheit die Gegenwart zu bewältigen, vieles schief. Nach Überzeugung der Dokumentarfilmerin bewirkt nur eine aktivistische und militant engagierte Auseinandersetzung etwas.

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Für Ruth Beckermann läuft beim Versuch, mit der Vergangenheit die Gegenwart zu bewältigen, vieles schief. Nach Überzeugung der Dokumentarfilmerin bewirkt nur eine aktivistische und militant engagierte Auseinandersetzung etwas.

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Sie ist eine der prominentesten Dokumentarfilmerinnen Österreichs und dabei – auch als Autorin – eine Chronistin des jüdischen Lebens. Zumindest von dem, was nach der Schoa davon geblieben ist. Gleichzeitig war Ruth Beckermann immer auch politisch aktiv – und zwar in dem Sinn, dass sie ihre Finger tief in die Wunden österreichischer Lebenslügen legte. So beleuchtete die heute 71-Jährige bereits im 1989 erstmals aufgelegten Buch „Unzugehörig. Österreicher und Juden nach 1945“ das Weiterleben von nazistischen Haltungen und Antisemitismus im Land. In „Jenseits des Krieges“ (1996) nahm sie die Diskussionen um die Wehrmachtsausstellung in ihrem Film auf und war daran prominent beteiligt, dem Mythos von der „sauberen Wehrmacht“, den Garaus zu machen. Zuletzt rekapitulierte Beckermann 2018 im Film „Waldheims Walzer“ die Ereignisse der späten 1980er Jahre. Ein Gespräch über Erinnern und das Versagen – nicht nur der Politik, aus der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen.

DIE FURCHE: Der Aufstieg der FPÖ und anderer rechtspopulistischer bis rechtsextremer Parteien in Europa scheint unaufhaltsam. Gleichzeitig wird die Erinnerung an die Schoa beschworen. Man fragt sich angesichts der Entwicklungen, ob das alles umsonst war. Oder war das alles falsch?
Ruth Beckermann: Natürlich war vieles gut und wichtig. Geschehen ist historische Aufarbeitung, aber auch Erinnerungskultur, die es ja in Österreich noch nicht so lange gibt. Gleichzeitig läuft sehr viel schief. Beispielsweise, dass heute vor allem von Auschwitz geredet wird. Auschwitz war aber ein Endpunkt. Von Auschwitz kann man auch nichts lernen. Ich hatte das Glück, in den 1960er Jahren eine Geschichtslehrerin zu haben, die im Widerstand war, und die uns den Aufstieg der Nazis nahegebracht hat. Sie hat uns ganz genau gezeigt, wie das Ganze begonnen und gegen wen es sich gerichtet hat. Nicht nur gegen uns Juden. Es wird heute völlig ausgeblendet, dass es zuerst vor allem gegen politische Andersdenkende ging. Sie hat es uns so gezeigt, dass man das auch als junger Mensch nachvollziehen konnte: Plötzlich darfst du dich nicht mehr auf diese Bank setzen; plötzlich musst du in eine andere Schule gehen. Aus der Geschichte wurden Aspekte unterrichtet, mit denen wir in der Gegenwart etwas anfangen konnten.

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