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„Schärdinger“ Oberösterreichischer Molkereiverband

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Wer kennt sie nicht, die blau-gelb-roten Farben, die so oft von Geschäftsschildern, Fahrzeugbeschriftungen und Warenpackungen grüßen? Ungezählten Hausfrauen in Oesterreich sind sie das Symbol gediegener Geschäftsgebarung und daraus entspringender Zuverlässigkeit. Nicht verwunderlich, denn diese Farben sind das Kennzeichen der größten und zugleich auch ältesten milchwirtschaftlichen Organisation Oesterreichs — der „Schärdinger“.

Dieses rein bäuerliche Unternehmen ist eine genossenschaftliche Schöpfung und blickt auf ein Alter von mehr als 50 Jahren zurück.

Im Jahre 1900 schuf man in S c h ä r d i n g die „Erste Central Theebutter Verkaufgenossenschaft“, die bestimmt sein sollte, die auf den Bauernhöfen erzeugte Butter zu sammeln und für sie den Absatz zu sichern. Diese Gründung verdankt die oberösterreichische Bauernschaft dem Agraringenieur Georg Wieninger, der, später für sein Wirken auch durch die Ernennung zum Regierungsrat ausgezeichnet, ein wirklicher Pionier des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens gewesen ist. Insbesondere war es die Milchwirtschaft, der sein besonderes Interesse galt.

Schon unmittelbar nach der Gründung im Jahre 1900 wurde es den damals maßgeblichen Männern, mit Wieninger an der Spitze, klar, daß die Erzielung einer befriedigenden und damit auch möglichst einheitlichen Güte der Butter die Schaffung von Molkereibetrieben erforderte. 1902 werden bereits neun Molkereigenossenschaften gegründet und 1908 bestehen schon 15 genossenschaftliche Molkereibetriebe.

Der erste Weltkrieg unterbricht diese leistungsstarke Entwicklung. Die Unerfahrenheit in der Erkenntnis des nur zeitweiligen Bestandes der als Kriegsfolge auftretenden wirtschaftlichen Mangellage läßt einen Teil der Bauernschaft den trügerischen Irrlichtem folgen, die vom Wege der gemeinsam zu sichernden, genossenschaftlich organisierten Verwertung weglocken. Aber die positiven Kräfte setzen sich schließlich doch wieder durch. Die Molkereigenossenschaften Oberösterreichs vereinen sich wieder sämtlich im Schärdinger Verband, der auch eine nicht unerhebliche Anzahl neugegründeter Molkereigenossenschaften in sich aufnimmt. So wird der Schärdinger Verband zur Dachorganisation der genossenschaftlich organisierten oberösterreichischen Milchwirtschaft. Diesem Umstände und der Tatsache, daß nunmehr rund drei Viertel der in Oberösterreich erzeugten Milch über genossenschaftliche Betriebe ihre Verwertung finden, Rechnung tragend, wurde vor kurzem die Firmenbezeichnung in „Schärdinger-Oberösterreichischer Molkereiverband“ abgeändert.

Eine weitere erhebliche Bewährungsprobe bestand der Verband, als es in den vergangenen dreißiger Jahren durch das Auftreten von Umständen, an deren Entstehung die Milchwirtschaft nicht beteiligt war, zu Erschwernissen bei dem Absatz von Milch und Molkereierzeugnissen kam. Insbesondere wurde hievon auch die Butter betroffen, und es war Sache des Verbandes, die damit verbundenen, zeitweilig nicht geringen Risiken zu tragen.

Wesentlich für die geschäftliche Entwicklung war die Errichtung von Niederlassungen des Verbandes in Wien (1932), Linz und Innsbruck (1938), von denen jener in Wien, der Bundeshauptstadt, begreiflicherweise die überragende Bedeutung zukommt.

Die Jahre des zweiten Weltkrieges wirken dem Interesse des Bauerntums am Genossenschaftswesen — wie nicht anders zu erwarten — entgegen. Die in viel höherem Maße als im ersten Weltkriege organisierte Zwangswirtschaft läßt die auf dem Grundsatz der freien Selbstbestimmung aufgebauten genossenschaftlichen Einrichtungen zunächst als zwecklos erscheinen.

Trotzdem erfolgt keine Absage an das Genossenschaftswesen, denn die eindeutigen Erfolge desselben im Bereiche der Milchwirtschaft haften zu deutlich im Gedächtnis der älteren Bauernschaft.

In den ersten Nachkriegsjahren tritt eine gewisse Verschärfung der Sachlage ein. Vor allem ist es die Antipathie, mit welcher der bereits jahrelang währenden Zwangswirtschaft von Seiten der Bauernschaft begegnet wird.

Begreiflich, wenn dabei auch ein Schatten auf die Beziehung zwischen Bauernschaft und genossenschaftlichem Milchverwertungsbetrieb fällt. Aber diese Betriebe bleiben bestehen und die Mitgliedsgenossenschaften bleiben ausnahmslos verbandstreu; nicht eine Genossenschaft wird abtrünnig.

Heute umfaßt der Verband 51 Genossenschaften mit über 44.000 Mitgliedern, und zwar: 40 Molkereigenossenschaften, 6 Käsereigenossenschaften, 1 Molkenverwertungsgenossenschaft 2 Eier- und Geflügelverwertungsgenossenschaften und 1 Honigwabenverwertungsgenossenschaft.

Als die allgemeine wirtschaftliche Lage sich zu bessern beginnt, gelingt es, den Auf bauwillen bei den Mitgliedsgenossenschaften wieder zu wecken. In den Jahren 1948 bis 1953 werden neun Mitgliedsbetriebe, da bereits veraltet, neu erbaut.

Auch die Frage der Restmilchverwertung blieb nicht unberücksichtigt. Erstmalig wird ein solcher Betrieb in Oberösterreich durch die Molkenverwertungsgenossenschaft Enns gebaut, die in enger Zusammenarbeit mit der Molkereigenossenschaft Enns-St. Florian steht. Für die Erzeugung von Kondensmilch ist bei der Einrichtung dieses Restmilchverwertungsbetriebes außerdem Vorsorge getroffen worden.

Während bei dieser Aufbauarbeit der Verband tatkräftig Hilfe und Unterstützung leistet, geht gleichzeitig die Schaffung und der Ausbau der verbandseigenen Unternehmungen einher.

1946 wird die bauliche und maschinelle Ausgestaltung des Schärdinger Milchhofes in Wien in Angriff genommen, der damit zum viertgrößten Molkereibetrieb in Wien aufrückt.

1947 wird im Rahmen der Niederlassung Linz ein leistungsfähiges Käseschmelzwerk errichtet und 1951 schließt sich bei ihr der Bau einer Milchtrinkhalle an einem der belebtesten Plätze der Landeshauptstadt Linz an.

1949 wird die Niederlassung in Innsbruck wieclereröffnet.

1950 geht der Verband daran, eine Sauermilchkäserei (Quargelerzeugung) in Schärding zu errichten, nachdem die schon zu Beginn 1947 in behelfsmäßiger Unterbringung begonnene Produktion einen erfolgversprechenden Absatz gezeigt hatte. Mit dem Jahre 1952 wird die Erzeugung der „Schärdinger-Spezial“ in dem neuen Betriebe aufgenommen.

Schließlich wurde in den Jahren 1946/47 unweit von Schärding der Zuchtgeflügelhof „Weidegut“ errichtet, dessen Hauptaufgabe die Versorgung der Bauernschaft mit leistungsfähigem Geflügel ist, von dem in den letzten Jahren jährlich über 70.000 Stück Eintagskücken, weiter einige tausend Stück Junghennen und einige hundert Zuchthähne an die Bauernschaft abgegeben wurden.

Dieser kurze Abriß gibt in gedrängter Form Bericht von dem Werden und der Entwicklung des „Schärdinger“ Oberösterreichischen Molkereiverbandes. Zum Abschluß sollen auch die Butterumsätze des Verbandes in den letzten drei Jahren angeführt werden:

1950: 4,536.328, 1951: 3,783.616, 1952: 4,581.797 Kilogramm Butter. +

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