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Deutsches Hochamt

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Wie seit einer Reihe von Jahren schon wurde auch heuer wieder in Wien das „Hoch, fest der Liturgien“ würdig begangen. In der Woche vom 7. bis 15. Juni bot die Canisius-kirche den Rahmen für einen vorbildlich feierlichen Vollzug des heiligen Opfers nach den verschiedenen Kultformen der katholischen Kirche. Besonders reich war der mit Rom unierte Osten durch den byzantinischgriechischen, den byzantinischtslawischen, den Jerusalemer und armenischen Ritus vertreten,während die .größere, kultische.Einheitlichkei des Abendlandes durch das glanzvolle römisch-lateinische Hochamt in Erscheinung trat.

In diese Feier altehrwürdigcr Liturgien auch ein sogenanntes „Deutsches Hochamt“ eingereiht zu finden, war interessant und erfreulich, weil dadurch die zeitnahe und pastorale Bedeutung des „Hochfestes“ unterstrichen wurde. Trotzdem kam in diesem Zusammenhang die Hereinnahme einer neueren Gestaltungsform des feierlichen Amtes vielleicht sogar für Fre'unde der liturgischen Bewegung unerwartet, da es sich dabei ja keineswegs — wie bei den übrigen Liturgien — um eine selbständige, etwa „deutsche“ Liturgie, auch nicht einmal um eine rituelle Sonderform wie zum Beispiel die der Dominikaner handelt. Das sogenannte „Deutsche Hochamt“ ist vielmehr durchaus ein römisch-lateinisches Amt, bei dem an Stelle der Proprium- und Ordina-riumsgesänge deutsche Lieder gesungen werden. Dieser in deutschen Gebieten „schon seit vielen Jahrhunderten geübte Modus“ hat nun in jüngster Zeit durch eine päpstliche Entscheidung offizielle Duldung erfahren. Bei dem heutigen Interesse weitester Kreise an volksliturgisch-kirchenmusikalischen Fragen erscheint — auch eventueller Mißverständnisse und Fehlentwicklungen wegen — eine klare Begriffsbestimmung zweckmäßig. Der Weg dazu führt über die bekannte kirchenamtliche Unterscheidung von „Missa lecta“ und „Missa cantata“, wobei „gelesen“ und „gesungen“ jeweils auf die Tätigkeit des Zelebranten zu beziehen ist. Zum vollen Begriff der Missa cantata gehören außer den priesterlichen Altärgesängen noch wesentlich die vom Chor (und von der Gemeinde) vorgetragenen Gesangstexte des Meßformulars.

Von den Möglichkeiten, die Gläubigen an die Missa lecta immer näher heranzuführen, hat die volksliturgische Bewegung in erfolgreichen Formen Gebrauch gemacht. Die Missa cantata dagegen war bisher offiziell einer volkssprachlichen Gestaltung entzogen. Wenn nun die oberste kirchliche Behörde auf die bisher grundsätzlich festgehaltene sprachliche Gleichheit zwischen Altar, -Chor und Kirchenschiff bei der Missa cantata aus gewichtigen Seelsorgegründen großzügig, verzichtet, wird zweifellos doch jene Form des „Deutschen Hochamtes“ den kirchlichen Intentionen am nächsten kommen, die den engsten Anschluß an das lateinisch-klassische Vorbild findet. Denn das lateinische Hochamt wird auch weiterhin Ziel und Höhepunkt . des feierlichen Gottesdienstes' der katholischen Christenheit des ganzen Erdenrundes bleiben, soweit sie sich zum römischen Ritus bekennt. Alle Bemühungen, das lateinische Hochamt auch für unsere Zeit und für unser Volk lebendig und fruchtbar zu gestalten, verdienen also auch in Zukunft größte Beachtung. Das „VolkschoAlamt“, bei dem der Kirchenchor die Propriums-gesänge gegebenenfalls in kunstvoller Mehrstimmigkeit vorträgt, ist eine solche realisierbare Möglichkeit.

Die Gestaltung des „Deutschen Hochamtes“ ist in den einzelnen Diözesen sehr verschieden. Der „jahrhundertealte Usus“, dem das kirchliche Duldungsdekret zu danken ist, kannte eigentlich neben den lateinischen Priestergesängen nur das' deutsche Meßlied nach der bekannten Art von „Hier liegt vor deiner Majestät“ und dergleichen. Es handelte sich also um das deutliche Gegenstück zum lateinischen Hochamt, bei dem ja auch meist bloß das Ordinarium gesungen und das so bedeutsame Proprium einfach ausgelassen wurde. Zunehmende liturgische Schulung durchbrach dann das deutsche Meßlied sinngemäß an jenen Stellen, wo ein Pro-priumsstück fällig war, durch einzelne Strophen eines „Zeitliedes“. In dieser Form dürfte das ^Deutsche Hochamt“ derzeit am häufigsten gepflegt werden; s o ist es (mit Liedern aus dem Diözcsangebetbuch „Die betende Gemeinde“) zum Beispiel auch in der Wiener Erzdiözese gestattet. Andere Diözesen weisen nicht mit Unrecht darauf hin, daß zu einem wirklichen Hochamt, wenn schon nicht unbedingt die lateinische Sprache, so doch die gesungene Darbietung der eigentlichen Meßtexte (und nicht irgendwelcher Lieder) gehört. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der sogenannten „Deutschen Gregoriani k“. Versuche, deutsche liturgische Texte mit einer unserem Sprachgeist und -rhythmus entsprechenden Melodie nach Art des gregorianischen Chorals zu versehen, sind nicht neu. Die' Musikgeschichte bietet verschiedenartigste Beispiele dafür. In jüngster Zeit sind am bekanntesten die wertvollen Arbeiten von Felix Messerschmid, dem Kreise um Heinrich Kahlefeld und andere geworden. Im Verlage der „Linzer Schriftenmission“ kommen derzeit laufend Vertonungen liturgischer Texte heraus, denen man musikalischen Wert und tiefe Einfühlung in den Geist der Gregorianik nicht absprechen kann. Diese beachtenswerten Leistungen der Linzer Priesterkomponisten Josef und Hermann 'Kronsteiner sind in erster Linie allerdings für die feierliche Ausgestaltung der Betsingmesse gedacht, können aber ebenso im „Deutschen Hochamt“ Verwendung finden, das damit nicht nur in sich eine hochentwickelte Form der Hochamtsfeier darstellt, sondern zugleich „allmählich dem Volke die volle innere und äußere Anteilnahme am lateinischen Hochamt ermöglicht. Denn das ist ja ein vielerstrebtes Fernziel der liturgisch gestalteten deutschen Meßformen, für eine fruchtbare Mitfeier der lateinischen Liturgie zu schulen und vorzubereiten.“ In dieser Eigenschaft des „Deutschen Hochamtes“ als letzte Vorstufe zum Ideal der lateinischen Missa cantata dürfte seine hervorragendste Bedeutung für die Zukunft liegen.

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