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Die „hörbare46 biblische Botschaft
DIE GESPROCHENE SCHRIFT. Die Heilsbotschaft nach Markus. 2 Langspielplatten (1 PAT 482-60/61) aus dem Patmos-Verlag, Düsseldorf. Preis 43 DM.
DIE GESPROCHENE SCHRIFT. Die Heilsbotschaft nach Markus. 2 Langspielplatten (1 PAT 482-60/61) aus dem Patmos-Verlag, Düsseldorf. Preis 43 DM.
Zwei Extreme der Art, die Bibel zu übersetzen, stehen einander gegenüber: das der Wortwörtlichkeit (zum Beispiel Dill er sb er g er), das auch oft vor undeutschen Wortbildungen und Wortstellungen nicht zurückscheut (zum Beispiel Buber) und das der vollkommenen Eindeutschung (zum Beispiel Pfäfflin, „Das Neue Testament in der Sprache von heute“, vgl. analog The New English New Testament). Die einen wollen auch die fremde Sprachgestalt möglichst nachbilden, die anderen sehen das Ideal einer Übersetzung darin, daß die Übersetzung sich wie ein Originalwerk der Sprache lesen lassen soll, in die übersetzt wurde. Die einen können für sich in Anspruch nehmen, daß die Bibel ein sakrales Buch in sakraler Sprache sei, die anderen, daß die biblische Botschaft primär Botschaft sei und daher die leichte Verständlichkeit derselben oberstes Gebot für den
Übersetzer sei, was eben wieder zu einer banalen Umgangssprache der Übersetzung führt. Die altlateinische Bibelübersetzung hatte nicht zuletzt durch das Unvermögen der Übersetzer sowohl den semitisieren- den Einschlag der Vorlage als auch die damalige Umgangssprache aufgenommen und dadurch die Gebildeten der Zeit abgestoßen, zum Beispiel einen Augustinus, einen Hieronymus. Heute scheitert die Aufgabe nicht mehr am Können der Übersetzer. Schon Luther wollte „die Mutter ihm Hause, die kinder auff der gassen, den gemeinen mann auf dem markt drümb fragen und den selbigen auff das Maul sehen, wie sie reden und darnach dolmetschen“ und hat auf diese Weise nicht nur ein Maximum an Verständlichkeit seiner deutschen Bibel erreicht, sondern auch ein sprachliches Meisterwerk geschaffen, dessen Wirkung auf die Ausbildung der deutschen
Sprache unbestritten ist. Dergleichen ist seither nicht geleistet worden.
Der Tübinger Professor Fridolin Stier, der sich durch eine treffliche Jobübersetzung bereits hervorgetan hat, arbeitet nun eine Übersetzung des Neuen Testaments aus, die in jeder Hinsicht vielversprechend ist. Das Marcusevangelium auf Schallplatten gesprochen durch Paul Edwin Roth liegt bereits vor. Die evangelische Botschaft ist da nicht nur „wieder“ hörbar, sondern auch wirklich „hörbar“ in einem Deutsch, das kein Wort gebraucht, das nicht tatsächlich deutsch wäre (das gilt auch für die so glückliche Wiedergabe „Abergeister“ für böse Geister) und von jedem Ungebildeten nicht auch ohne weiteres verstanden würde. Dabei kommt doch immer die blanke, harte Ausdrucksweise des Originals unverfälscht zu Wort: „Wer mir nachgehen will, mache sich los von sich!“ (8, 34). Auch der Mut zur Formel fehlt nicht, die sich einzuprägen vermag: „Fürchte nicht, glaube nur!“ (5, 36). Philologisch ausgezeichnete Lösungen: „Ihr schlaft euch aus und rastet“ (14, 41 statt ihr schlaft „weiter“ oder „noch immer“). Wer den ganzen Wortlaut des Markusevangeliums nach Stier hört, wird sich sagen müssen, daß hier eine ganz außergewöhnliche Leistung gelungen ist, die die oben angedeuteten Probleme in einer sublimen Synthese gelöst hat, soweit sie lösbar sind.
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