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Das Übersetzen von einem Ufer zum anderen ist ein altes Bild für die Übertragung von Literatur in eine fremde Sprache. Matthias Claudius bemerkte hintersinnig: "Wer übersetzt, der untersetzt" - er unterstellt eine andere Bedeutung und er bleibt unter dem Original. Und dennoch: ohne Übersetzung kein internationaler Film, kein Theater, keine Weltliteratur. Übersetzen ist die Basis unserer Kultur. Und jeder Mensch ein Übersetzer. Ein Furche-Dossier über das schwierige Geschäft des Übersetzens von Literatur. Redaktion: Cornelius Hell

Übersetzer will niemand. Am allerwenigsten der Leser, denn er will das Original lesen. Nichts ist für ihn kränkender als das Eingeständnis, von seinen Lieblingsautoren eigentlich kein Wort gelesen zu haben. Und wer kann schon das Englisch Shakespeares oder die komplexe Sprache des "Ulysses" von James Joyce, Dantes Italienisch oder die Gedichte von Mallarmé und Baudelaire oder gar die Bibel im hebräischen und griechischen Original lesen. Strindbergs Stücke, die Philosophie von Kierkegaard und die amerikanischen Filme - alles nur Übersetzung. Wir lesen die berühmtesten Texte in der Sprache eines andern! Aber das wollen wir nicht unter die Nase gehalten bekommen. Darum darf der Übersetzer auch nicht auf dem Buchumschlag stehen; dass es mittlerweile üblich ist, ihn innen im Buch auf das Titelblatt zu drucken, ist das Ergebnis eines zähen Kampfes der Übersetzerverbände.

Aber auch die Verlage haben keine Freude mit den Übersetzern. Übersetzte Bücher sind immer teurer als Originale: Da ist einmal die Lizenzgebühr zu bezahlen (seit es gute Agenten gibt, wird da kräftig gefeilscht) und dann wollen auch die Übersetzer noch Geld für ihre Arbeit; das gefährdet die Kalkulation. Und die ist sowieso eng, denn die Hälfte des Ladenpreises eines Buches frisst der Vertrieb auf.

Ein zweiter Autor?

Die Autoren sind nicht immer glücklich über die Tatsache, dass sie Übersetzer brauchen (auch wenn sie natürlich in der ganzen Welt bekannt werden möchten). Kennt der Autor die Sprache, in die er übersetzt wird, nicht, ist er misstrauisch, weil er ja nicht überprüfen kann, ob sein Werk adäquat wiedergegeben wird; kennt er die Sprache, schaut er dem Übersetzer kritisch über die Schulter und ist vielleicht oft anderer Meinung. Freilich gibt es auch Werk- und Lebenspartnerschaften, in denen der Übersetzer zur zweiten, gleichwertigen Stimme seines Autors wird (so etwa zwischen György Konrád und seinem deutschen Exklusiv-Übersetzer Hans-Henning Paetzke). Günter Grass hat eine spezifische Form der Partnerschaft mit seinen Übersetzern gefunden: Nach Erscheinen eines jeden neuen Buches sind alle Übersetzer zu einem einwöchigen Workshop mit dem Autor eingeladen, wo alle Übertragungsprobleme mit ihm intensiv besprochen werden.

Die Kritiker lassen die Übersetzer in der Regel links liegen - schon deswegen, weil sie der Originalsprache nicht mächtig oder einfach zu faul sind bzw. unter zu starkem Termindruck stehen und zu schlecht bezahlt werden, um das Original zu lesen. Übersetzungskritik findet in der Regel nicht statt. Standardlob von Kritikern: Man merkt einem Buch nicht an, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Das heißt umgekehrt: ist sprachlich etwas zu bemängeln, ist sicher der Übersetzer schuld.

Kein Brotberuf

Der deutsche Sprachraum ist weltweit der größte Markt für Literatur aus anderen Sprachen. Etwa 15 Prozent aller Bücher sind Übersetzungen: zu drei Vierteln aus dem Englischen bzw. Amerikanischen. Das heißt keineswegs, dass es den Übersetzern hier besser geht, im Gegenteil: "Literarische Verlage können heute nicht mehr ohne Übersetzungen existieren, aber die literarischen Übersetzer können von ihrer Arbeit nicht existieren", fasst Burkhart Kroeber, der Übersetzer des Bestsellerautors Umberto Eco, zusammen. Übersetzer bekommen in der Regel ein fixes Seitenhonorar, aber im Unterschied zu den Autoren keine Erfolgsbeteiligung, obwohl es wesentlich auf die Übersetzung ankommt, dass der Bestseller in einer fremden Sprache auch im deutschen Sprachraum "einschlägt". Übersetzer haben in der Regel einen gut verdienenden Ehepartner (ein Grund, warum man von Übersetzerinnen sprechen müsste, denn Frauen stellen die deutliche Mehrzahl) oder einen gut bezahlten anderen Job (Karl Dedecius, der berühmte Übersetzer aus dem Polnischen, war bis zu seiner Pensionierung im Versicherungsgeschäft tätig). Dabei ist der literarische Übersetzer ein hochspezialisierte Beruf, arbeitet meist unter großem Termindruck und ist einer der wichtigsten Kulturvermittler. Dass wir nicht nur Literatur der großen Weltsprachen, sondern auch kleiner Kulturräume lesen können, ist in der Regel dem jeweiligen Übersetzer zu verdanken, der den Autor entdeckt, ein Gutachten schreibt und meist auf eigenes Risiko eine Probeübersetzung abliefert; denn die Verlage haben keine Ressourcen, unbekannte Autoren "kleiner" Sprachen zu entdecken.

Je innovativer und interessanter ein Text ist, umso größer ist die Herausforderung für den Übersetzer - und umso weniger verdient er, weil er länger für die Seite braucht. Lyrikübersetzung ist (wie die Lyrik selbst) ein besonders brotloses Geschäft, doch die Lust an der Sprache ist hier am größten.

Kultur übersetzen

Weitere Schwierigkeiten beim Übersetzen: aufwendige Recherchen, Fehler im Original und schwierige Entscheidungen: Wenn in einer litauischen Erzählung ein bestimmtes Gericht gegessen wird - schreibe ich den Namen hin und erkläre es in einer Fußnote (wie viele Fußnoten verträgt eine Erzählung oder gar ein Gedicht?) oder ersetze ich es durch ein deutsches (warum soll der Leser dann nicht gleich eine deutsche Erzählung lesen?)

Was wir von fremden Kulturen wissen: alles nur Übersetzung. Wo wären wir ohne Übersetzer? Es gäbe weder das Christentum noch die deutsche Klassik. Nicht nur Shakespeare, Camus oder der amerikanische Film würden uns fehlen, sondern auch deren Einflüsse, ohne die unsere Kultur nicht mehr unsere Kultur wäre.

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