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„Ehrenrettung“ der Gurker Fresken

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In der österreichischen, vor allem in der fremdenveurkehrswerbenden Publizistik wird mft dem Epitheton „berühmt“ für heimische Kunstdenkmale ziemlich freigebig umgegangen, auch wenn sein Gebrauch ganz und gar nicht berechtigt ist, weil die damit bedachten Werke kaum in der nächsten Talschaft geschätzt werden und im Auslande vollständig unbekannt sind. Ginhart weist in seinem, die Abhandlung eröffnenden Literaturüberblick ab 1850 darauf hin, daß die vom ihm in dieser Arbeit erschöpfend behandelten Fresken in der Westempore des Domes zu Gurk unbestritten zu den qualitätsvollsten Werken lihrer Art zählen, alles eher denn „berühmt“ sind: fast wäre man versucht, zu sagen, daß sie bald nach ihrer Entdeckung vor mehr als hundert Jahren „berühmter“ gewesen seien! Das kunstwissenschaftliche Schrifttum unserer Zeit befaßt sich mit ihnen nicht, oder nur flüchtig. Ginhart geht deshalb mit der deutschsprachigen (doch nichtösterreichischen) Kunstgeschichtsforschung hart ins Gericht und will an eine selbstverschuldete Unkenntnis und absichtliche Geringschätzung österreichischer Kunstdenkmäler bei den Gelehrten der deutschen Bundesrepublik glauben, die sich auch bei der Behandlung, Wertung und zeitlichen Festlegung der Gurker Fresken äußerst ungünstig ausgewirkt hätte. Wir möchten hoffen, daß der gewissenhafte und weit über die Grenzen unserer Heimat anerkannte Gelehrte

damit nicht Recht behält und vielleicht aus verständlichem Lokalpatriotismus etwas über das Ziel ge-, Schossen haben wird.

Schon seit den ersten Sonderarbeiten über die Fresken gibt es eine Frühdatierung (nach 1214, vor 1220) und eine Spätdatierung (nach 1260). Die Zahl der „Spätdatierer“ ist gegenüber den Verfechtern der frühen Ansetzung weitaus im Übergewicht, weshalb Ginhart, der stets für die frühe Zeitbestimmung eingetreten war, mit allem ihm zu Gebote stehenden Rüstzeug auffährt, seine Ansicht zu untermauern.

Das große Dilemma verursachen zwei Umstände: einerseits ist Bischof Otto (f 1214) in der Westempore als Stifter abgebildet, anderseits ist Bischof Dietrich II. (1254—1279) als Consecrator gleichfalls im Freskenbestand bildlich vorgeführt.

Ginhart legt seiner Beweisführung vorerst die Rekapitulation der Baugeschichte des Domes zugrunde, gibt dann eine knappe Übersicht des Bildgehaltes der Fresken bzw. ihres Programms und behandelt den Bildgedanken des „Throns Salomonis“ in einem größeren Exkurs, in welchem auch auf einen älteren, durch Ginhart auf 1200—1210 datierten Vertreter dieses ikonographischen Gedankens in der Bischofskapelle des Donjons am Petersberge zu Friesach zurückgegriffen wird. Die Ansetzung dieses frühen Throns Salomonis wird ausgiebig durch stilkritische Vergleiche und überzeugende Beispiele gestützt. Ein zweiter

Exkurs ist dem sogenannten „Zak-kenstü“ gewidmet, den Ginhart nicht, wie in der Forschung meist üblich, vom thüringschen Räume abgeleitet wissen möchte, sondern als „altes, ahnenreiches abendländisches Formengut“ anspricht. Durch die Gegenüberstellung mit zahlreichen anderen Werken des „Zackenstils“ kommt Ginhart zu dem Schluß, daß eine Spätdatierung der Gurker Fresken nicht haltbar sein könne und daß Bischof Dietrich II. als Auftraggeber nicht in Betracht gezogen werden dürfe. Die erwähnten Bischofsbilder und die übrigen Fresken gehören keineswegs der gleichen Stilstufe an; dies hat schon Bruno Grimschitz aufgezeigt, dessen Gedächtnis die Studie gewidmet ist. Ginhart nimmt an, daß an Stelle des Bischofs Dietrich II. ein Vorgänger desselben, wohl Ulrich I. dargestellt gewesen sein müsse. Bischof Otto (t 1214) ist als Stifter, das heißt wohl als Testator der Geldmittel und Verfasser des Gesamtprogramms, bildlich eingeführt und später seiner grundsätzlichen Bedeutung für die Kapellenausstattung wegen beibehalten worden. In der Zeit seines Nachfolgers Ulrich I. Graf von Ortenburg (1221—1253) wird die Vollendung der Kapelle und ihrer Malereien zu setzen sein. Zwischen 1247 und 1253 könnte ein Brand außerhalb, doch in der Nähe des Domes, die bereits fertiggestellten Fresken geringfügig beschädigt haben; die noch bestehende Werkstatt des verstorbenen Hauptmeisters wäre, nach O. Demus, in der Lage gewesen, die Fehler bald nach 1256 zu tilgen. Mittel hierfür hätte ein von Papst Innozenz IV. am 18. Jänner 1253 ausgeschriebener Ablaß zur Verfügung stellen können.

Große Verwirrung stiftet eine auf den 16. August 1264 datierte, die Westempore betreffende Weiheurkunde, über welche Ginhart mitteilt, daß sie eine Fälschung des beginnenden 15. Jahrhunderts darstelle. Sie ist „über der ausradierten Originalschrift geschrieben, wobei sich der Schreiber bemühte, die Schriftzüge des 13. Jahrhunderts nachzuahmen“. Leider wird von Ginhart nicht berichtet, ob diese Urkunde schon nach dem Palimpsest-verfahren untersucht wurde; auf diese Weise ließe sich wahrscheinlich das richtige Weihedatum der Emporenkapelle ermitteln.

Die jeden gegnerischen Einwand mit einer erdrückenden Fülle von Vergleichsbeispielen wilderlegende Beweisführung für die Frühdatierung der Gurker Westemporefresken, wie sie Ginhart hier vorlegt, ist bestrickend und verdient höchste Beachtung der gesamten deutschen und nichtdeutschen Kunstwissenschaft.

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