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Endzeitliche Ausrichtung
Es sei mir gestattet, zu dem in Ihrer „Furche“ erschienenen Artikel „Tabu-Zölibat?“ — kritisch Stellung zu nehmen und auf Widersprüche hinzuweisen. — Zunächst einmal erscheint mir die Betrachtungsweise des genannten Artikels zu einseitig- naturalistisch. Wenn man die Probleme des katholischen Priestertums mit der modernen Anthropologie und dem modernen Zeitgeist in Einklang bringen will — dabei aber das Übernatürliche und Gnadenhafte außer acht läßt, kommt es zu einer Verzerrung und Verneinung des bisher gültigen und vom katholischen Volk geschätzten Priesterbildes. Wenn man den Priesterberuf des Übernatürlichen entkleidet, die ungeteilte Hingabe an Christus und seine Kirche sowie die tägliche Opferbereitschaft eines zölibatären Lebens als widernatürlich oder zumindest dem Evangelium nicht mehr entsprechend abschaffen sollte, so würde man wohl nominell den Priestermangel beheben, einen rapiden Substanzverlust des christlichen Glaubens aber nicht aufhalten können!
Die Verfasser des genannten Artikels setzten sich unter Hinweis auf den CJC kritisch mit den Voraussetzungen zur Zölibatspflicht auseinander.
Man hätte sich das ruhig ersparen können, da man von vornherein erklärte, nur einen ausdrücklichen Befehl Christi zur Zölibatsverpflichtung anzuerkennen. Eo ipso ist damit ausgesprochen, daß auch das kirchliche Gesetzbuch keinen allzuhohen Wert zu besitzen scheint. Man hätte das auch so offen und ehrlich sagen sollen! Um so mehr wendet man aber seine Bewunderung den Traditionen der anderen christlichen Kirchen zu. Es scheint den Schreibern des Artikels wohl selbstverständlich und es steht wohl außer Zweifel, daß man in den erwähnten christlichen Kirchen die evangelischen Räte achtet und hochhält. Wenn man das noch von der Ostkirche behaupten könnte, sprechen aber die Tatsachen für die evangelische Kirche eher für das Gegenteil. Hier soll man bei der Wahrheit bleiben und nicht durch derartig unbewiesene Behauptungen Verwirrung in den eigenen Reihen anstiften. Sowohl die Entstehung des Protestantismus als auch seine Einstellung zu den guten Werken sind ja gerade auch in bezug auf das katholische Ordensideal ein Protest gegen die Lehre der Kirche gewesen.
Die Behauptung, daß in den seltensten Fällen der Zölibat als Ideal gewählt und daß der Priesterkandidat wohl das Priestertum wegen des Apostolats, aber nicht gleichzeitig wegen des Zölibates wählt, entspricht nicht den Tatsachen. Jedes Kind in der Schule weiß schon, wenn einer Pfarrer werden will — darf er nicht heiraten. Später beobachtet man den Seminaristen gerade auch in seinem Verhalten und Benehmen dem anderen Geschlecht gegenüber
— und falls man ein allzufreies Benehmen gegenüber den Mädchen bemerkt, schließt man auf eine Bedrohung des geistlichen Berufes. Es wäre interessant zu wissen, mit welchen Motiven die Verfasser des genannten Artikels die zahlreichen Berufungen zu den männlichen und weiblichen Brüdern- und Schwesternkongregationen motivieren würden.
Es wäre außerdem die Erlaubnis für die Priesterehe noch lange keine Lösung der Probleme der Sexualität
— sondern eher eine Verlagerung auf eine andere Ebene, auf der dann noch mehr Personen in den Blick punkt der Kritik rücken (Frau und Kinder).
Letzten Endes ist der Zölibat, vom Glauben her gesehen, auf den kommenden Herrn — endzeitlich ausgerichtet. Die Kirche als die jungfräuliche Braut Christi wartet durch die Jahrtausende auf ihren in Glorie erscheinenden Bräutigam — die Priester dieser Kirche harren mit ihr aus. Sie sollen sich nicht vom Sirenengesang einer verführerischen, im Genuß des Alltags sich ergötzenden Welt beirren lassen.
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