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Konzilstexte fallen nicht vom Himmel

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Rynne hat den drei vorausgegangenen Sitzungsperioden je einen Band (1.: Die zweite Reformation.— 2.: Briefe aus dem Vatikan. — 3.: Die dritte Sitzungsperiode.) gewidmet und begeisterte Leser gefunden. Schon diese drei Bände sind mit großer Offenheit geschrieben worden. Daß diese offene Berichterstattung nicht überall begeisterte Aufnahme gefunden hat, beweist folgende Bemerkung des Verfassers, die in der Einleitung zum vorliegenden Band zu lesen ist: „Schließlich melden wir mit Vergnügen, daß die vom Heiligen Offizium 1962 angelegten Akte mit dem Titel ,Rynne Xaverius' nunmehr dank dem geheimnisvollen Wirken der Geschichte unter den wohlwollenden Auspizien der neu benannten und reorganisierten Kongregation für die Glaubenslehre verwahrt wird (S. 13).“

In die 4. Sitzungsperiode fielen die Diskussionen: Über die Religionsfreiheit — Über die Kirche in der Welt von heute — Über die Missionen — Über Dienst und Leben der Priester. Über den Verlauf dieser Diskussionen berichtet Rynne lebendig, anschaulich und mit theologischer Sachkenntnis. Er verschweigt nicht die „Machenschaften, Intrigen und diplomatischen Aktionen“, wie sie auf Konzilien nie gefehlt haben (vgl. O. Cullmann, in: Theol. Literaturzeitung 92 [1967], S. 3). Diese menschlichen Schwächen machen deutlich, daß auch Konzilsdokumente nicht vom Himmel fallen, sondern unter Führung des Heiligen Geistes nach hartem menschlichen Ringen mit den verschiedensten Geistesströmungen innerhalb der Kirche

und nach Kompromissen formuliert wurden. Im Schlußkapitel „Ausblick auf das Dritte Vatikanum“ wird richtig gesehen, daß die Kirche vor allem eine geschichtliche und dynamische Größe ist, die für jede Zeit neu je nach dem Kairos die Offenbarung interpretieren muß, daß jede Konzilsaussage früherer Konzilien aus dem Verständnis ihrer Zeit heraus zu interpretieren ist und grundsätzlich verbesserungsfähig und ergänzungsbedürftig ist, daß innerhalb der Glaubenswahrheiten nicht alles gleich bedeutsam ist (das heißt nicht, daß die weniger zentralen Wahrheiten gestrichen werden können), sondern daß es eine „Rangordnung oder Hierarchie der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre gibt, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des christlichen Glaubens“ (Dekret über den Ökumenismus, 11.). Das Bedeutsamste des Vatikanums II ist, daß man wieder erkannt hat, daß die Heilige Schrift norma non normanda jeglicher Theologie und Verkündigung sein muß. Nur eine Rückbin-dung an die Quelle der Offenbarung (ressourcement nennt es Y. Congar) wird tatsächlich eine Erneuerung der Kirche bewirken. Diese Erkenntnis des Konzils hat den großen protestantischen Theologen Karl Barth in seinem Bericht über seinen Rom-Besuch während der vierten Sitzungsperiode über das Zweite Vatikanische Konzil urteilen lassen:

.....es war, wenn irgendeines, ein

Reformkonzil“ (K. Barth, Ad limina apostolorum, Zürich 1967, S. 59).

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