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Pater Pio

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„Nach vielen lobüberladenen Pater-Pio-Büchern endlich ein Buch, das verläßlich und kritisch ist!“ Nach dieser Ankündigung auf dem Buchumschlag geht man mit hoffnungsvoller Erwartung an die Lektüre des Buches, dein J. M. Höcht, der verdienstvolle Verfasser der Gesamtgeschichte der Stigmatisierten, die Schilderung einer „Fahrt zu Pater Pio“ und einen Anhang über „einige Bekehrungen und Heilungen durch das Gebet Pater Pios“ beigegeben hat. Diese Beigaben machen ein Drittel des Buches aus, das, „geschrieben von einem Verfasser, der seit acht Jahren an Ort und Stelle lebt und enge Freundschaft mit Pater Pio hat“, sich von den bisherigen Pater-Pio-Büchern hauptsächlich dadurch unterscheidet, daß es für die italienische Ausgabe und für die deutsche Uebersetzung mit der Druckerlaubnis des Erzbischofs von Bari bzw. des Bischofs von Limburg versehen ist und darum nicht zu den Büchern gehört, die das Heilige Offizium verboten hat. Wie weit das Buch „verläßlich“ ist, läßt sich schwer beurteilen, da eine Nachprüfung der biographischen Quellen (für die Jugendzeit Aussagen des verstorbenen Vaters, für die spätere Zeit vorwiegend persönliche Beobachtungen des Verfassers) schwer möglich ist. „Kritisch“ im Sinne einer wissenschaftlich einwandfreien, sachlichen Beurteilung des Wundercharakters der an Pater Pio zu beobachtenden außerordentlichen Phänomene ist das Buch leider nicht. Zu dieser Ueberzeugung bin ich schon aus dessen Lektüre gekommen, noch mehr aber durch das, was ich in Rom an zuständiger Stelle über Pater Pio erfahren und selbst in S. Giovanni Rotondo beobachtet habe. Zunächst soll festgestellt werden, daß die im Buch mitgeteilten Auszüge von Briefen sowie die Bekehrungen und Heilungen, von denen wohl keine von der Kirche als sicheres Wunder anerkannt würde, mit Ausnahme einer 1930 erfolgten Heilung alle, soweit sie datiert sind, der Zeit vor 1925 angehören. Von den auf 16 zweiseitigen Tafeln gebrachten 54 Bildern zeigen 45 Pater Pio in verschiedenen Situationen; sie sind gut, bieten aber nicht viel Besonderes. Eine gute Vorstellung vom Aussehen der Wundmale bekommt man vom Bild, das die Innenfläche der rechten Hand zeigt. Ueber Pater Pios heiligmäßiges Leben, sein stark einseitiges priesterliches Wirken, besonders über seine Beichtstuhlmethode, und selbst über das großartige, von ihm angeregte, freilich unter Ausnützung der ausgedehntesten und modernsten Propaganda seiner Anhänger zustande gekommene, vor kurzem unter Beteiligung von 15.000 Personen eingeweihte Hospital in S. Giovanni Rotondo stehen sich stark divergierende Ansichten gegenüber. Die Tatsache, daß unter seinen schwärmerischen Anhängern die Frauen gegenüber den Männern um das Fünf- bis Zehnfache überwiegen, dürfte weniger verwunderlich sein, da das persönlich mitfühlende Frauenherz von den Wundmalen ganz anders beeindruckt wird als der kritisch prüfende Männerverstand. Die von seinen Anhängern so überschwenglich bewunderte Messe des Paters macht auf unvoreingenommene Zuschauer kaum einen wesentlich anderen Eindruck als die Messe anderer frommer Kapuziner. Nur die mehrmaligen langen Pausen und das dabei feststellbare Verhalten des Zelebranten fallen auf; es drängt 'sich aber die Frage auf, ob sie mit den im Ge- wissen verpflichtenden Rubriken der Messe vereinbar isind. Die an die Wundmale Christi erinnernden, 'blutenden, nicht eiternden, aber auch nicht heilen-'den Gewebeverletzungen an den Händen und Füßen sowie an der Seite müssen nach dem Zeugnis von •Aerzten als sicher vorhanden angesehen werden, jwobei man bei den Händen weniger an eine Nagelwunde erinnert wird, sondern eine die ganze Handfläche kreisrund überziehende, nicht aber gleichmäßig gerötete Hautveränderung zu sehen glaubt. Es dreht sich nun um die wichtige Frage: Ist die Stigmatisation, wie sie an Pater Pio in Erscheinung tritt, ein außerordentliches, aber doch natürlich erklärbares oder ein übernatürliches, wunderbares Phänomen? Zur wissenschaftlich einwandfreien Klärung dieser Frage müßte wohl manches noch viel kritischer untersucht werden, was das vorliegende Buch über die ungewöhnlichen Gesundheitsstörungen des Paters berichtet. Als er nach dem Noviziat sonderbar erkrankte, wurde er ebenso sonderbar geheilt (S. 30/2). Als er nach der Priesterweihe zur Erholung zu einem verwandten Pfarrer geschickt wurde, soll er stundenlang zur Messe gebraucht haben und unter ungewöhnlichen Umständen wieder ins Kloster zurückgekehrt sein (S. 33/5). Als er im ersten Weltkrieg Militärdienst leisten sollte, waren seine fortwährenden Gesundheitsstörungen für die Aerzte rätselhaft (S. 36/9). Und später wurde wiederholt an ihm eine Uebertemperatur bis zu 48,5 Grad Celsius festgestellt (S. 55/6). Wird man da nicht beinahe genötigt, an einen Menschen mit exzeptioneller Veranlagung zu denken? Ob dieselbe das Entstehen der Wundmale ohne besonderes Eingreifen Gottes möglich macht, ist mit Sicherheit schwer weder zu bejahen noch zu verneinen. Sicher ist, daß es bei einer außerordentlichen Veranlagung im Aufeinanderwirken von Seele und Leib Dinge geben kann, die von den gewöhnlichen menschlichen Lebensphänomenen stark abweichen. Es gibt eben ein schwer restlos aufzuhel lendes Grenzgebiet zwischen Natur und Uebernatur. Und Pater Pio dürfte einen Fall darstellen, wo selbst nach wissenschaftlich einwandfreier Prüfung des Tatbestandes die Grenzlinie schwer zu ziehen sein wird. Wenn seine Anhänger, die an den Wundercharakter glauben, darauf hinweisen, daß das Heilige Offizium zwar in den zwanziger Jahren dem Pater Pio das Beichthören und die öffentliche Meßfeier verboten und erklärt habe, es stehe nicht fest, daß es sich um übernatürliche Vorgänge handle, daß aber später von Pius XI. obige Beschränkungen aufgehoben worden seien, so erinnern seine Gegner, die am Wundercharakter zweifeln, wieder mit Recht, daß das Heilige Offizium seine Erklärung bezüglich des übernatürlichen Ursprungs der Stigmatisation nicht zurückgenommen und die Tätigkeit des Paters auch nicht gebilligt habe, sondern nur dulde, weil man der Meinung sei, daß aus seinem Wirken doch viel Gutes hervorgehe. Nach all dem Gesagten kann das vorliegende Buch eine erbauliche Lektüre für überzeugte Anhänger des Pater Pio darstellen, ist aber wissenschaftlich in keiner Weise auf jener Höhe, die ein gebildeter Katholik in einer so sehr umstrittenen und für das Ansehen der Kirche so folgenschweren Sache verlangen muß. Die richtige Haltung gegenüber dem bald siebzigjährigen Wundmalträger wird darum auch weiterhin sein — ehrfürchtige Zurückhaltung. Pius F a n k, can. reg., Stift Vorau

Laotse. Herausgegeben von Lin Y u t a n g. Fischer-Bücherei. Frankfurt/Main-Hamburg. 215 Seiten. Preis i.9o dm:

Der bekannte Schriftsteller Lin Yutang unternahm es, durch seine Ausgabe den Philosophen Laotse dem Verständnis des modernen Menschen nahezubringen. Nach einer knappen Darstellung der Persönlichkeit und Lehre des Weisen folgt eine Abhandlung von Tschuangtse über die Hauptströmungen des Denkens zur Zeit Laotses. Der eigentliche Text, das Buch vom Tao und vom Teh, wird in sieben Bücher gegliedert und durch alte chinesische, an Gleichnissen reiche Kommentare, vor allem von Tschuangtse, und durch Hinweise des Herausgebers erläutert. Vier Bücher behandeln die philosophischen Grundlagen der Lehre, die übrigen ihre Anwendung im praktischen Leben — die Weisheit des Nichthandelns. Den Abschluß bilden einige von Tschuangtse verfaßte erdachte Gespräche. Durch dieses Bändchen wird breiteren Leserkreisen ein deutliches Bild von Laotses Gedankenwelt vermittelt.

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