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Digital In Arbeit

Theologie der Armut

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TRÖSTET MEIN VOLK. Von Paul Gauthier. Verlag Styria, Graz-Wicn-Köln 1966. Kartoniert, 40? Seiten. S 78.—.

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TRÖSTET MEIN VOLK. Von Paul Gauthier. Verlag Styria, Graz-Wicn-Köln 1966. Kartoniert, 40? Seiten. S 78.—.

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iMn auer vorwuri gegen cue Kirche besteht in der Behauptung, sie halte es mit den Reichen und kümmere sich wenig beziehungsweise zu wenig um die Armen. Paul Gauthier, auf dem Gebiet der Theologie der Armut kein Unbekannter mehr, hat nun die Stimmen des Zweiten Vatikanischen Konzils gesammelt um diesen Vorwurf ein für allemal zu entkräften beziehungsweise die Bischöfe, Priester und Laien mit dem Problem der Armut zu konfrontieren. Bevor auf Einzelheiten eingegangen wird, muß dem Budi bescheinigt werden, daß es das umfassendste und derzeit modernste Werk ist, das sich so ausführlich mit diesem Kernproblem der Menschheit, der Armut, auseimand ersetzt. Der erste Teil des Buches versucht die Lehre, die Pastoral und vor allem die Spiritualität der Armut zu erarbeiten, während der zweite Teil die Diskussionen, Eingaben, Stellungnahmen, Kritiken und Widerstände während des Konzils aufzeichnet.

Besonders bemerkenswert ist es, daß sich das Buch nicht nur auf theoretischen Gebieten bewegt, sondern klare und eindeutige Schritte vorschlägt um den Geist der Armut in der Kirche zu verwirklichen. Es ist richtig, und angeführte Stellungnahmen von befragten Arbeitern bestätigen dies, daß die Kirche als Organisation in Mitteleuropa des öfteren verbürgerlicht ist. Allerdings scheint es dem Leser manchmal, daß an und für sich unwesentliche Dinge zu wichtig genommen werden. So zum Beispiel die Anrede der Bischöfe. Man schlägt vor, die Titel Monsignore, Exzellenz uisw. fallenzulassen, sie würden den Bischof als Herrscher apostrophieren. Anderseits könnte man aber argumentieren, daß diese Anreden die Ehrfurcht vor dem Bischof als Nachfolger der Apostel ausdrücken. Wesentlich schwerer fällt ins Gewicht, daß das Buch keine genaue Definition der Armut gibt. Zwar wird der Zusammenhang zwischen Christas und den Armen als Seine Brüder ganz hervorragend herausgearbeitet, die Armut Christi genau umschrieben, aber über den Begriff der Armut in der heutigen Welt bleibt der Leser ein wenig im unklaren. Mitunter klingen Ansätze auf, die die Armut mit Hunger gleich- retzen, aber auch dies befriedigt nicht. Sicherlich wird sich jeder Leser unter „Armut“ einen festen Begriff bilden, aber es ist doch schade, daß eine genaue Begriffs-

bestimmung in dem Buch unterblieben ist, vor allem, weil sie ja als Diskussionsgrundlage unbedingt notwendig wäre. Ein zweiter Begriff, gegen den man vielleicht Einwände erheben könnte, ist die „Armut der Arbeit“ (S. 28). Hier wird der Verfasser mit der Theologie und der Spiritualität der Arbeit kollidieren. Es wird doch in neuerer Zeit immer wieder auf den Wert der Arbeit hingewiesen, auf die Berufung des Menschen zur Arbeit, die der Sohn Gottes in eigener Person geheiligt hat. Sicherlich steht es außer Frage, daß die Arbeit eine Folge der Erbschuld ist, doch scheint es in gewissem Maße gefährlich, Arbeit und Armut in einem Atem zu nennen.

Abgesehen von diesen Einwänden aber bleibt aufrecht, was zu Beginn gesagt wurde: es gibt zur Zeit kein Buch, daß sich derartig tiefgehend und genau mit der Theologie der Armut beschäftigt und die Aussagen des Konzils über diese Probleme zusammenfaßt.

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