hoffnung - © Pixabay

Theolympia: Hoffnung – zwischen der Angst zu fallen und der Sehnsucht zu fliegen

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Bedeutet Hoffnung, Macht zu haben? Mit ihrem Text über die Hoffnung belegt Paula Gokl den 2. Platz der heurigen „Theolympia“, dem Preis für theologische Essays im Religionsunterricht.

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Bedeutet Hoffnung, Macht zu haben? Mit ihrem Text über die Hoffnung belegt Paula Gokl den 2. Platz der heurigen „Theolympia“, dem Preis für theologische Essays im Religionsunterricht.

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Ich setzte meinen Fuß in die Luft und sie trug. (Hilde Domin)

Viel wird heute über die Zukunft diskutiert: die Zukunft der Menschheit zwischen Krieg und Klimakrise, die Zukunft der Demokratie zwischen Korruption und Populismus, die Zukunft der Gesellschaft zwischen Sittenverfall und Egozentrik. Die Angst vor der eigenen Zukunft lauert in Zeitungsartikeln, auf der Stromrechnung und mitunter vor der Haustüre. Einher geht die Angst oft mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Wieso eine Anstrengung auf sich nehmen, wenn das Schicksal ohnehin schon besiegelt scheint?

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Woher nimmt die Person in Hilde Domins Zitat die Hoffnung, die sie einen Schritt in die Luft machen lässt? Hoffnung lässt sich nicht in der Apotheke kaufen, sie lässt sich nicht erzwingen oder herbeibefehlen. Wir können aber versuchen zu verstehen, was sie eigentlich ist, diese „Hoffnung“. Immerhin findet sie sich hierzulande in unserem Sprachgebrauch und Denkverhalten doch recht häufig, etwa in Wörtern wie „hoffentlich“ oder wenn wir von „Ich hoffe dies“, „Ich hoffe das“ sprechen. Und dennoch scheint die Hoffnung in unserer Welt keinen Platz zu haben, in unserem naturwissenschaftlichen Weltbild, in dem alles geplant, berechnet und versichert sein sollte. Sollten wir ihr mehr Platz einräumen, der Hoffnung?

Beginnen wir mit der Frage, was wir eigentlich machen, wenn wir hoffen. Die Phrase „Ich hoffe, dass…“ wird häufig als eine Art Stehsatz gebraucht. Ohne dass ein tatsächliches Nachdenken darüber stattfindet, was denn mit dem Hoffen einhergeht. Müssen wir denn etwas beisteuern zum Hoffen, verlangt es eine aktive Handlung von uns? Oder geben wir mit der Entscheidung zu hoffen einfach die Verantwortung aus unserer Hand und macht die Hoffnung uns damit träge, geradezu faul? Die Art von Hoffnung, wie sie sich im Alltag in diversen Phrasen und Floskeln findet, kann durchaus als ein Ausdruck von Faulheit gesehen werden – oder anders formuliert als ein Ausdruck dessen, dass das Folgende sich außerhalb des eigenen Einflussbereichs befindet.

Dieser verhältnismäßig banalen Form der Hoffnung, im Text weiter als „Alltagshoffnung“ bezeichnet, steht allerdings eine Hoffnung gegenüber, die in existenziellen Bereichen des Lebens zum Tragen kommt. Diese Hoffnung findet sich nicht in der Frage, ob die U-Bahn pünktlich kommt, sondern sie bezieht sich darauf, wo das Essen für die nächsten Tage aufgetrieben werden kann oder wie das eigene oder das Leben anderer gerettet werden kann. Dann wird das nicht durch ein banales „Ich hoffe, dass…“ oder „hoffentlich“ ausgedrückt. Hier kommt die Hoffnung in ihrer stärksten Form zum Tragen. In tiefer Verzweiflung strahlt die Hoffnung am hellsten, in derartigen Situationen macht sie den größten Unterschied. Und diese „Existenzhoffnung“ macht nicht faul, im Gegenteil. Anders als Angst, die lähmt und jegliche Perspektive nimmt, befreit Hoffnung, weitet das Sichtfeld und lässt so Handlungsmöglichkeiten erkennen. Sie gibt die Möglichkeit und regt dazu an, selbst aktiv zu werden und etwas zur Erfüllung der Hoffnung beizutragen.

Das Hoffen besteht hier aus zwei Komponenten: einer oder mehrerer aktiver Handlungen und dem Vertrauen auf eine zweite Kraft, die dazu beiträgt, dass die Hoffnung in Erfüllung geht - eine Gottesfigur, das Schicksal, der Zufall oder andere Personen, die „es hoffentlich richten werden“. Betrachtet man von diesem Gesichtspunkt aus beispielsweise die Tradition der Opfergaben, Votivgaben oder Beschwörungsrituale wie Regentänze, finden sich in ihnen ebendieses Schema von einer aktiven Handlung (Opfergabe, Votivgabe, Regentanz) und dem Vertrauen auf eine höhere Macht. Wie im Fall der „Alltagshoffnung“ wird auch hier ausgedrückt, dass der weitere Verlauf der Ereignisse nicht in der eigenen Hand liegt – und doch ist zusätzlich eine Aktion der hoffenden Person(en) fixer Bestandteil dieser „Existenzhoffnung“.

Was aber, wenn in einer existentiellen Notsituation ein eigener aktiver Beitrag gar nicht oder nur schwer möglich ist? Ein aktuelles Beispiel bietet die Erdbebenkatastrophe im Grenzgebiet von Syrien und der Türkei. Auf die Hoffnung der in den Trümmern Verschütteten trifft das Kriterium des Existenziellen definitiv zu, es geht um Leben oder Tod. Und doch: welche aktive Handlung könnten sie setzen in dieser Situation des Ausgeliefertseins? Die Kontrolle über Sterben oder Überleben liegt nur in eingeschränkter Form in der Hand der Verschütteten. Was jedoch auf jeden Fall bleibt, ist die persönliche Entscheidung, zu hoffen oder nicht zu hoffen. Berechtigterweise stellt sich die Frage, inwiefern die Entscheidung zwischen einer hoffnungsvollen und einer hoffnungslosen Einstellung eine aktive Entscheidung ist und sein kann. Wie schon festgestellt, lässt Hoffnung sich schließlich nicht in der Apotheke kaufen, nicht erzwingen oder herbeibefehlen.

Und doch sprechen wir von „Hoffnung schenken“, „Hoffnung nehmen“, „Hoffnung finden“ und „Hoffnung verlieren“. Haben wir also Macht über die Hoffnung? Und vor allem: haben wir Macht über die Hoffnung der anderen? Sicher ist, hundertprozentige Kontrolle darüber, ob man selber oder andere hoffnungsvoll oder hoffnungslos sind, hat kein Mensch. Zu einem Teil ist es eine aktive Entscheidung, sich der Hoffnung zu- oder von ihr abzuwenden, zu einem Teil ist es eine Beeinflussung des Umfelds und zu einem weiteren Teil liegt es vermutlich im Naturell, in den Genen, in jedenfalls nicht beeinflussbaren Faktoren. Bis zu einem gewissen Grad können wir also Hoffnung schenken und nehmen, sie finden und verlieren, ein Stück weit ist Hoffen eine aktive Entscheidung. Aber dennoch findet sich auch in der Frage „Hoffen: ja oder nein“ ebenso ein Schicksals- oder Zufallsmoment, wie es auch einen großen Teil des aktiven Hoffens ausmacht.

Wenn es um das nackte Überleben geht, die eigene Sterblichkeit, dann bleibt vielen als letzte Hoffnung immer noch der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod.

In existentiellen Situationen wird auch die Nähe von Hoffnung und Glauben deutlich: Wenn es um das nackte Überleben geht, die eigene Sterblichkeit, dann bleibt vielen als letzte Hoffnung immer noch der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod. Vielleicht sogar als jenseitiges Leben in einem Paradies. Durch diese „Auslagerung“ des Ziels der Hoffnung in ein Jenseits kann Religion ein Stück weit gewährleisten, dass im diesseitigen Leben die Hoffnung nicht „verloren“ gehen kann.

Nun können wir festhalten, dass das Hoffen eine Zukunftshaltung ist. Die Hoffnung vor Augen, sind die Handlungen im Leben darauf ausgerichtet, zur Erfüllung der Hoffnung beizutragen. Ein „Im-Moment- Leben“ scheint es nicht zu geben, solange die Hoffnung in Denkweite ist. Sollten wir uns vielleicht eine Auszeit vom Konzept der Hoffnung nehmen, um uns wieder in den Moment des Hier und Jetzt zurückzuholen? Beiderlei extreme Positionen in dieser Frage gehen mit Risiken einher. Wer keinerlei Hoffnung hegt, für den stellt sich bald einmal die Frage „Wozu denn?“. Wozu denn auf ein Überleben hoffen, wenn es gar keine Chance auf Rettung gibt? Wozu denn etwas gegen den Klimawandel unternehmen, wenn die Katastrophe ohnehin nicht mehr abwendbar ist? Wozu denn die Mühen des Lebens weiter ertragen, wenn am Ende des Lebens sowieso nur das Nichts liegt? Die Gefahr lauert in der hoffnungslosen Lethargie, der „Eh schon Wurscht“-Haltung. Denn sie lässt einen leicht vergessen, dass vielleicht irgendwo außerhalb des eigenen Denkradius eine Hoffnung schenkende Handlungsmöglichkeit, Idee oder Lösung liegt.

Doch auch ein Klammern an die Hoffnung birgt Risiken. Wir müssen anerkennen, dass auch die Hoffnung Grenzen hat, und wir sollten sie respektieren. Wer sich keinerlei Auszeit von der Hoffnung nimmt, riskiert, darauf zu vergessen, den Moment der eigenen Gegenwart wertzuschätzen, und sich ganz und gar in der Zukunft zu verlieren. Nicht jede Hoffnung erfüllt sich und ein reflektierter Umgang mit Rückschlägen hilft, die Grenzen der Hoffnung zu sehen und loslassen zu lernen.

Wie so oft ist die Balance also entscheidend. Denn Hoffnung gibt die Kraft, etwas zu tun, etwas aufzubauen, etwas zu wagen. Und gerade auch die Eigenschaft, dass Hoffnung nicht unbedingt realistisch sein muss, stellt eine ungemeine Freiheit dar. Den Fuß in die Luft zu setzen und zu erwarten, zu hoffen, sie trüge, scheint im ersten Moment nahezu verrückt. Und doch hat jemand diese Hoffnung – möge sie auch noch so unrealistisch wirken – und wagt den Schritt. Eine aktive Handlung findet statt, das Vertrauen ist da und die Hoffnung erfüllt sich. Es gehört viel Mut und Stärke dazu, entgegen aller Wahrscheinlichkeit an einer Hoffnung festzuhalten. Genauso viel Mut und Stärke verlangt allerdings auch das Eingeständnis, dass die Grenzen einer Hoffnung erreicht sind.

Trotz, oder gerade wegen, unseres naturwissenschaftlichen Weltbildes sollten wir der Hoffnung mehr Platz einräumen. Denn sie ermöglicht es uns, über den Tellerrand hinauszuschauen und unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen, um sie zum Besseren zu wenden. Hoffnung kann man zwar nicht kaufen, aber anstatt der Angst die Macht zu geben, uns lähmen zu lassen, schenken wir doch einander so viel Hoffnung wie möglich!

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