Über den sogenannten "Dialog"

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Der "Dialog für Österreich" - ein Meinungsaustausch, ein Heearing, oder was?

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Der "Dialog für Österreich" - ein Meinungsaustausch, ein Heearing, oder was?

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Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein", läßt Goethe Mephisto sagen. Als den katholischen Bischöfen der "Dialog für Österreich" einfiel (und die Erzdiözese Wien "Dialog" als Medium der Kontaktanbahnung ins Leben rief), war "der Geist, der stets verneint", womöglich nicht weit entfernt. Denn soviele Begriffsinhalte etwa das "Metzler Philosophie Lexikon" (1996) oder das "Lexikon für Theologie und Kirche" (1995) dem Wort "Dialog" zuschreiben, sowenig definiert ist das, was seit Monaten unter diesem Titel stattfindet und im Herbst in einer sogenannten Delegiertenversammlung leibhaftig werden soll.

"Dialog" ist ein Allerweltswort geworden. Taucht in den Medien auf für Auseinandersetzungen von Gruppen mit der Gesellschaft, für das gewünschte Verhalten Saddam Husseins gegenüber den UNO-Inspektoren, für eine Bischofserklärung zur Nitsch-Veranstaltung, für das Miteinander/Gegenüber moderner Architektur in einem alten Ensemble, für das Arrangement von Karfiolröschen und Broccolisträußchen auf dem Restaurant-Teller...

Vom sokratisch-platonischen Dialog, dem geduldigen mündlichen Argumentieren bis zu einwandfreier Erkenntnis, über den Diskurs als wissenschaftliche Methode mit Falsifizierbarkeit, über Diskussion als Austausch von Meinungen, bis zur Betonung der Selbstverantwortlichkeit der Gesprächspartner und ihrer ungezwungenen Hinwendung zueinander sind Gegenstandsbezug und Wahrheitsanspruch immer geringer geworden. Wahrheit zerfällt in männliche und weibliche, in Wahrheiten des einen oder anderen Sprechers, polarisiert sich in den je eigenen ehrlichen und daher unaufgebbaren Meinungen. Die widersprechen einander? Dann eben Pluralismus und eine gute Konfliktkultur!

Der Christ kann aber doch nicht davon absehen, daß er einen Gott der Wahrheit anerkennt und den Jesus Christus, der die Wahrheit ist, mit denen man im Gespräch sein, sogar streiten darf, wie die Bibel erzählt, freilich in Gebet und Leben, zu seiner Ehre und zum Heil der Welt.

An dieser Stelle zwischen Gott und Mensch, zwischen Lehramt und aufgeklärter Mündigkeit erweist sich schon im Vorfeld der Delegiertenversammlung, daß sie kein Forum des Dialogs sein kann: Der Streit um Themen, die Art der Delegierung, die Möglichkeit der Abstimmung sprechen dagegen.

Streit um Themen Unter den etwas über 1.000 Einsendungen zum Grundtext finden sich am häufigsten die Stellungnahmen gegen Zölibat, für Priesterinnen, für Demokratisierung - also nicht offen formulierte, argumentierbare Thesen, sondern festgelegte Forderungen. Das Themenbarometer von "thema kirche" hingegen weist dem Christentum als wichtigste Aufgaben "Zum Heil verhelfen", "Sinn des Lebens finden", "Schutz des Lebens" zu. Wo ist hier auch nur im Ansatz dialogfähige Gemeinsamkeit? Was könnte in nur drei Tagen vertieft werden, selbst wenn Bereitschaft bestünde, sich korrigieren zu lassen?

Die Delegierten sind zum Teil berufen, zum Teil entsendet, sind unterschiedlichen theologischen und pastoralen Konzepten verbunden, sollen bei freiem Mandat sprechen, aber auf drängende Fragen zukunftsweisende Antworten finden, die von allen österreichischen Katholiken akzeptiert werden können, an die das Amt aber nicht gebunden ist.

Die heterogen zusammengesetzte, weder qualitativ noch quantitativ für die Vielfalt in der österreichischen Kirche repräsentative Versammlung soll abstimmen dürfen, damit man Mehrheitsmeinungen und Prioritäten erkennen kann: eine Gewichtung nach Zufall, nicht nach Argumentationskraft, nicht von allen Bischöfen anerkannt, letztlich gegenüber dem Amt, der theologischen Forschung und dem päpstlichen Diskussionsverbot in der leichteren Waagschale.

Der sogenannte "Dialog für Österreich" - ein Meinungsaustausch, ein Hearing, eine Enquete. So wichtig wie der Papstbesuch - für jeden, der ihn wichtig nehmen will.

Der Autor ist praktizierender Katholik in einer Wiener Basisgemeinde, Pfarrgemeinderat in einer Pfarre und freier Publizist.

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