Wenn der Papst mich zur Weltsynode um Rat fragen würde ...: Erfahrungen mit Synoden
Lutherisch-reformierte Anmerkungen zum Thema Synodalität, das die katholische Kirche zurzeit weltweit umtreibt.
Lutherisch-reformierte Anmerkungen zum Thema Synodalität, das die katholische Kirche zurzeit weltweit umtreibt.
In den evangelischen Kirchen werden Synoden oft als „Kirchenparlamente“ bezeichnet, und es wird davon gesprochen, wie durch sie „Demokratie in der Kirche“ verwirklicht wird.
Das ist natürlich alles nicht falsch, aber nur ein Teil der Wahrheit. „Parlament“ und „Demokratie“ sind politische Begriffe, die seit dem 19. Jahrhundert eine bis heute ungebrochen wichtige Rolle spielen. Die politische Entwicklung hin zur Demokratie hat sich auch auf evangelische Kirchen ausgewirkt, kein Zweifel. Aber die Synodalität geht doch viel weiter zurück. Sie ist den evangelischen Kirchen gleichsam in die Wiege gelegt und im reformatorischen Kirchenverständnis verwurzelt. Zu denken ist vor allem an die Lehre vom Priestertum aller Gläubigen, die Martin Luther 1520 in seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ formuliert hatte.
Da schrieb er: „Alle Christen sind wahrhaftig geistlichen Standes“ und führt weiter aus: „Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, dass es schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht sei, obwohl es nicht jedem ziemt, solches Amt auszuüben. Denn weil wir alle gleichermaßen Priester sind, darf sich niemand selbst hervortun und sich unterwinden, ohne unsere Einwilligung und Wahl das zu tun, wozu wir alle gleiche Vollmacht haben.“
Bei den Reformierten von Anfang an
Auch wenn der konservative Luther selbst wohl noch nicht daran gedacht haben wird, hat er damit doch das Fundament gelegt, und zwar nicht nur für die synodale Verfassung der Kirche, sondern auch für die Ordination von Frauen und die Wahl von Pfarrer(inne)n durch die Gemeinden.
Aber seine grundlegenden Einsichten haben sich vorerst nicht durchgesetzt. Es gab zwar schon im 16. Jahrhundert erste lutherische Synoden, wie 1526 die von Homberg in Hessen, aber gekommen ist stattdessen in den deutschen Ländern (wie auch in Österreich) eine territoriale, an den Landesherren gebundene Organisation der Kirchen.
In den reformierten Kirchen verhielt es sich allerdings anders. Dort gab es Synoden von Anfang an. Grundlage war die Ämterlehre, die Johannes Calvin in der Genfer Kirchenordnung entfaltet hat. Die erste reformierte Synode Frankreichs kam im Mai 1559 bei Paris zusammen, von dort ging es über die Niederlande und Schottland in alle Welt. Für diese regelmäßig durchgeführten Versammlungen setzte sich im Laufe der Jahre im englischen Sprachraum die Bezeichnung „General Assembly“ und folgerichtig der Name „presbyterianisch“ für die Kirchen durch.
In den deutschen Landeskirchen wurde das presbyterial-synodale Prinzip erstmalig 1835 mit der Rheinisch-Westfälischen Kirchenordnung umgesetzt. Dafür waren bestimmt auch Einflüsse der Aufklärung und des Konstitutionalismus wirksam.
In Österreich wurden im Revolutionsjahr 1848 erste Versuche unternommen, eine synodale Verfassung für die evangelische Kirche zu etablieren. Aber es kam erst nach dem Protestantenpatent (RGBl 41/1861) vom April 1861 dazu.
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