Ein Mann wird am Flughafen mit dem Röntgen überprüft. - © Foto: Imago/Star-Media

Röntgen: Der gläserne Passagier

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Die Entdeckung der Röntgenstrahlen vor hundert Jahren hat nicht nur die Medizin, sondern auch das Reisen verändert. Zur wilden Geschichte einer zunehmenden Durchleuchtung.

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Die Entdeckung der Röntgenstrahlen vor hundert Jahren hat nicht nur die Medizin, sondern auch das Reisen verändert. Zur wilden Geschichte einer zunehmenden Durchleuchtung.

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Wer öfter mit dem Flugzeug verreist, kennt die Prozedur: Hosentaschen leeren, Gürtel ablegen, Handgepäck in einer Kiste verstauen und auf das Förderband legen. Während man die Sicherheitsschleuse passiert, wird nebenan das Gepäck durchleuchtet. Ein Röntgengerät durchstrahlt die Gepäckstücke und bildet diese auf einem Computerbild ab. Je nachdem, wie dicht das Material ist, absorbiert es Energie. Metallgegenstände, die keine oder nur kurzwellige Röntgenstrahlen durchlassen, erscheinen auf dem Computerbildschirm in Blau. Organische Stoffe wie Käse, die viel Wasser enthalten und daher durchlässiger sind, erzeugen eine orangene Farbe. Durch das bildgebende Verfahren können Sicherheitsbeamte verbotene Gegenstände wie Waffen, Munition oder Feuerwerkskörper detektieren.

Schambesetzte Objekte

Nachdem 1897 der erste Röntgenapparat in Wien installiert worden und 1914 der erste Linienflug von Tampa nach St. Petersburg in Florida abgehoben war, sollte es noch einige Jahrzehnte dauern, bis die Technik an Flughäfen eingesetzt wurde. Bis in die 1960er Jahre waren die Sicherheitsvorschriften im Flugverkehr lax: Es gab keine Gepäckkontrollen, die Passagiere konnten das Flugzeug teils auch ohne Vorzeigen des Personalausweises betreten, und die Tür zum Cockpit blieb während des Flugs offen. Manch einer nahm sogar seine Armbrust mit an Bord, weil sie nicht in den Koffer passte. Das änderte sich erst, als die USA von einer Entführungswelle erschüttert wurden.

Im November 1968 bestieg ein US-Bürger kubanischer Herkunft am Kennedy Airport in New York mit einer Pistole und einem Messer bewaffnet eine Pan-Am-Maschine nach Puerto Rico. Zwei Stunden nach dem Start bedrohte er eine Stewardess mit dem Messer und zwang den Piloten, in Havanna zu landen. Es war kein Einzelfall. Zwischen 1968 und 1972 wurden in den USA 130 Maschinen entführt – die meisten davon nach Kuba. Floridas Senator George Smathers wollte dem Spuk ein Ende bereiten und schlug daher die Einführung von Metalldetektoren und Röntgenscannern an Flughäfen vor, wie sie zuvor bereits in Gefängnissen eingesetzt wurden: „Ich sehe keinen Grund, warum ähnliche Geräte nicht auch an den Check-inGates von Flughäfen installiert werden sollten, um festzustellen, ob Passagiere Pistolen oder andere Waffen mit sich tragen.“ Die amerikanische Flugaufsichtsbehörde FAA meldete in der Anhörung vor dem Senat jedoch datenschutzrechtliche Bedenken an. Nachdem zwei Wochen später eine Delta-Maschine gekapert wurde, kippte die Stimmung. Denn der Mann, der in den Lauf der Pistole eines Entführers schaute, war kein Geringerer als der Senator von Mississippi, James Eastland. Smathers Vorschlag fand breite Zustimmung: 1970 wurde am Washington National Airport der erste Röntgenscanner präsentiert.

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