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Förderungen einfrieren!

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Sind Kinder nur private Freude (und Last) - oder gehen sie auch die Gesellschaft etwas an?

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Sind Kinder nur private Freude (und Last) - oder gehen sie auch die Gesellschaft etwas an?

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Gäbe es einen Preis für erfolgreiches Lobbying, er müßte den katholischen Familien-freunden und den grün-sozialdemokratischen Förderern lediger Mütter verliehen werden. Ihnen verdankt Osterreich die großzügigste Kinderförderung der Welt.

Außerdem ist es den beiden Bewegungen gelungen, jede Kritik an ihren Bemühungen zu tabuisieren: Die schweigende Mehrheit, die Schulbücher und Kettenkarenzgeld zahlt, hat auch noch ein schlechtes Gewissen; ehemals glücklichen Familien wird der Status automatischer Armut und unbedankten Märtyrer -tums suggeriert, jeder Skeptiker als kleiner Herodes abgestempelt.

Mit pseudowissenschaftlichen No-Na-Erkenntnissen wie der, daß sich „Familien mit niederem Einkommen und hoher Kinderzahl rasch der Armutsgrenze nähern", wird an Tränendrüsen und Abgabenfreude zur Finanzierung dickbäuchiger Fürsorgegießkannen appelliert, statt die frohe Botschaft zu verkünden, daß die heutige Elterngeneration die erste der Geschichte ist, die dank Aufklärung, Latex- und Pharmaindustrie in der glücklichen Lage wäre, nur verantwortbaren Wunschkindern das Leben zu schenken.

Diese Rahmenbedingung unterstreicht den natürlichen Grundsatz, daß für die Betreuung jedes Kindes in erster Linie zwei Instanzen zuständig sind: Papa und Mama. Aber die Politik sucht - und erfindet nötigenfalls - möglichst große vermeintlich hilfsbedürftige Bevölkerungsteile als dankbare Wähler: Studenten und Senioren, Bauern und Pendler, Wohnungsmieter, Kleingewerbetreibende und eben - Familien.

Notfalls wird das Argument „Wer soll einmal die Pensionen zahlen?" zur Begründung staatlicher Einflußnahme auf Schlafzimmer und Kinderstuben und als Legitimation zur Auszahlung von Gebärprämien herangezogen. Dieses, der Zeugungsphilosophie übervölkerter Entwicklungsländer entlehnte, Argument klingt zwar menschenfreundlicher als „Der Kaiser braucht Soldaten!", läuft aber auf das gleiche Geschäft zwischen Staat und Familie hinaus, das die Familie zur Zuchtanstalt degradiert. Die höchstpersönliche und intime Entscheidung zweier Menschen, die Verantwortung und das Glück von Kindern anzustreben, wird zur öffentlichen Angelegenheit gemacht und damit auf die Ebene der Tagespolitik herabgezerrt.

Das Pensionsargument als Begründung dafür, Kindersegen zum Geschäft zu pervertieren (am günstigsten als scheinbarer Alleinerzieher und im karenzoptimierenden Intervall), paßt ganz hervorragend zum österreichischen Wunschtraum, in der - unverdienten und daher schuldenfinanzierten - Frühpension „unserer Enkel ihr klein Häuschen" zu versaufen und für die eben doch nötige Güterproduktion Gastarbeiter zu importieren oder Arbeitsbienen zeugen zu lassen.

Dank der industrialisierten Güterproduktion wird das Problem der nächsten Jahrzehnte allerdings nicht die Beistellung von Arbeitskräften, sondern die Beschaffung von Arbeitsplätzen sein. Außerdem läßt die steigende Lebenserwartung eine arbeitsfähige Reservearmee entstehen.

Ein stufenweise um drei Jahre hinaufgesetztes Pensionsalter, das allein aus Finanzierungsgründen dringend geboten ist, ersetzt - ganz ohne Erziehungskosten - zweieinhalb komplette Geburten Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt.

Es gibt genügend demographische Puffer, um etwaige Schwankungen der Geburtenrate auf dem Arbeitsmarkt abzufedern. „Wer soll die Pensionen zahlen?" ist ein scheinheiliger Vorwand zur Rechtfertigung überzogener Familienförderung.

Statt die Familien ständig zu bedauern, und dadurch begehrlich zu machen, wäre es Zeit, ihnen die ungeheure Leistung ins Bewußtsein zu rufen, die von der Gemeinschaft für sie erbracht wird: Von der Familienbeihilfe über den Mutter-Kind-Paß, der Geldprämien für Selbstverständliches verspricht, bis zur kostenlosen Kranken- und Hinterbliebenenversicherung für alle Kinder, die kaum je erwähnt oder gewürdigt wird.

Österreich ist ein Elternparadies. Es ist durchaus vertretbar, vorhandene Familienleistungen einzufrieren und die Eltern dadurch behutsam auf den steinigen Weg zum selbstverantwortlichen - und dadurch auch selbstbewußten - Mitbürger zurückzuführen. Die Aufgaben des Familienministeriums könnten leicht dem Sozial- oder Gesundheitsressort übertragen werden.

PS: Ich bin im Gegensatz zu manchem salbungsvollen Familienpolitiker kein bloßer Theoretiker. Ich war beziehungsweise bin partnerschaftlich an der Betreuung von vier Kindern zwischen 13 und 33 Jahren beteiligt.

Ich kenne die Entwicklung der Babyhygiene von der Stoffwindel über das „Schwedenhöschen" bis zu den Pampers hautnah, wobei die Stoffwindeln meines ersten Sprößlings auf Grund beengter Wohnverhältnisse von mir noch in der Küchenabwasch gereinigt wurden.

Der Autor ist

Herausgeber der Tageszeitung „Wirtschaf tshlatt " und äußert hier seine Privatmeinung zur Familienförderung. Er stellt das Honorar für seinen Diskussionsbeitrag, ebenso wie die Autorin des darunter abgedruckten Artikels, einem karitativen Zweck zur Verfügung.

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