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Digital In Arbeit

Kein Synonym für Meinungslosigkeit

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Nebst vielem anderen, Notwendigeren und Wichtigeren sollte für die österreichische Presse auch einmal der Begriff „unabhängig“ geklärt werden. Es ist diese Bezeichnung, die bei den politischen Parteien und ihren Organen, aber auch anderenorts viel Widerspruch erweckt hat. Man hat sich auch sehr angestrengt, den Beweis zu erbringen, daß es im Pressewesen so etwas wie echte Unabhängigkeit gar nicht geben kann.

Dennoch gibt es sie: Eine Zeitung kann unabhängig sein vom Einfluß der politischen Parteien, politisch orientierter Organisationen, großer Verbände und Interessengruppen. Ist sie das, so ist sie schon sehr unabhängig. Sie kann aber darüber hinaus auch noch unabhängig sein vom Einfluß etwa der Inserenten und selbst unabhängig vom Leser, der ja bekanntlich — ebenso wie der Inserent — durch Kauf oder Nicht-kauf auf die wirtschaftliche Lage einen Einfluß ausübt, der für eine kleinere, wirtschaftlich nicht starke Zeitung schon eine Rolle zu spielen vermag.

Um eine Unabhängigkeit von all diesen Faktoren zu erzielen, bedarf es allerdings einer Reihe von Voraussetzunigen: Die Zeitung beziehungsweise ihr Herausgeber muß finanziell stark genug sein, um jeder Versuchung und jedem Druck, die mit Geld ausgeübt werden können, standzuhalten. Das bedingt, daß die Zeitung ein geschäftlicher Erfolg ist. Das hieße anderseits, daß sie sich nun in die Abhängigkeit der Inserenten und der Leser zu begeben hätte — denn von irgendwoher muß sie ja ihre wirtschaftliche Basis beziehen. Oder aber: sie findet einen Herausgeber, der finanziell stark genug ist, um sich selbst über diese Abhängigkeit hinweghelfen zu können.

Dort liegt der kritische Punkt: Kommt eine Zeitung mit ihrer Auflage über eine gewisse Höhe, ohne sich vorher in Abhängigkeit begeben zu müssen, so hält sie von nun an jedem Druck und jeder Verlockung stand und bleibt selbst vom Inserenten und vom Leser unabhängig. Denn ab einer gewissen Auflagenhöhe benötigt der Inserent die Zeitung — als ausschlaggebenden Werbeträger für seine Produkte — und kann auf die Dauer auf diesen Werbeträger nicht verzichten. Ähnliches gilt für den Leser: Ab einer gewissen Auflagenhöhe ist das Risiko, durch eine völlig unabhängige Stellungnahme, die daher auch sehr unpopulär sein kann, Leserschichten zu verärgern und zur Abbestellung der Zeitung zu bewegen, nicht mehr groß. Im Prinzip reagiert nur ein kleiner Teil von Lesern mit Abbestellung, den eine kleinere, wirtschaftlich nicht sehr starke Zeitung nicht zu vergrämen trachten dürfte, der aber bei einer Zeitung mit hoher Auflage nicht ins Gewicht fällt. • .

Eine Abhängigkeit wird es jedoch bei jeder Zeitung immer geben: Die Abhängigkeit vom Herausgeber und von der Linie, die Herausgeber und Chefredakteur gemeinsam der Zeitung geben. Doch es ist diese Abhängigkeit, die die Unabhängigkeit einer Zeitung erst garantiert. Denn gerade Unabhängigkeit und Objektivität müssen angeordnet, bewahrt und verteidigt werden.

Nun zur Frage: Wie abhängig sind die unabhängigen Zeitungen in Österreich? Um diese Frage ohne Einschränkung beantworten zu können, darf und kann jeder Herausgeber und Chefredakteur nur für sich selbst sprechen. Außenstehende können die Unabhängigkeit einer Zeitung prinzipiell an deren Schreibweise erkennen, verläßlich aber können nur die Betroffenen selbst Auskunft geben. Dazu noch eines: Selbst Zeitungen, die eine finanzielle Unterstützung außerhalb ihres eigenen finanziellen Einkommens beziehen, können — wenn dies in den Intentionen ihrer Geldgeber liegt — eine unabhängige, überparteiliche und objektive Linie vertreten. Ebenso wie eine wirtschaftlich gesunde Zeitung abhängig bleiben kann, wenn ihre Herausgeber es wollen. Dieses Beispiel soll zeigen, wie schwierig es ist, Maximen für die Unabhängigkeit einer Zeitung aufzustellen.

Um mich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ich hätte die Antwort auf diese Frage nicht einmal für jene Zeitung abgegeben, die ich als Chefredakteur leite, darf ich feststellen: Der „Kurier“ ist eine unabhängige Tageszeitung, weder abhängig von Parteien, Organisationen und Interessenverbänden noch vom Inserenten oder vom Leser. Aber sie ist abhängig von der Linie, die ihr ihr Herausgeber Dr. Ludwig Polsterer im vollen Einvernehmen mit der Redaktion immer schon vorgeschrieben hat: Kompromißloses Einstehen für Demokratie, Recht, die Freiheit der Kritik und die Notwendigkeit der vollen Information. Und das heißt auch leidenschaftliche Bekämpfung aller demokratiefeindlichen Kräfte, der Korruption, der politischen, nationalen und' rassischen Vorurteile und des Unrechts, wo immer es sich zeigt. Denn Unabhängigkeit kann auf keinen Fall Meinungslosigkeit und Engagement-losigkeit bedeuten.

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