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Digital In Arbeit

Problem „Zeitimgsdeutsch"

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Haben junge Leser Aufbau und Eigenheiten einer Zeitung durchschaut, finden sie sie nicht mehr „langweilig" oder „schwer zu lesen".

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Haben junge Leser Aufbau und Eigenheiten einer Zeitung durchschaut, finden sie sie nicht mehr „langweilig" oder „schwer zu lesen".

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Durch die Aktivitäten und Angebote des Vereins „Zeitung in der Schule" (siehe nebenstehenden Kasten) ist der Stellenwert von Zeitungen für die sprachliche und allgemeine Bildung der Jugendlichen wieder mehr ins Bewußtsein gerückt. Tatsache ist: Immer wieder wird darüber geklagt, daß Jugendliche zuwenig - und wenn, dann nur den Sportteil in Boulevardzeitungen - lesen.

Woran liegt es aber wirklich, daß die sogenannten „Qualitätszeitungen" von einem Großteil der Jugendlichen kaum gelesen werden?

Ein Grund ist sicher darin zu finden, daß Qualitätszeitungen den Schülern nicht vertraut sind, weil sie in ihrem Umfeld (Familie, Bekannte) nicht allzu präsent sind. Allerdings hat sich gezeigt, daß es oft nur am fehlenden Anreiz und der Hilfestellung von außen liegt. Präsentiert man 14jährigen über einen längeren Zeitraum Zeitungen verschiedenster Art - also auch solche, die sie immer als „zu schwer" und „zu langweilig" eingestuft haben, zeigen sich bald Erfolge.

Haben die Kinder einmal einen Blick für den Aufbau und die Besonderheit einer Zeitung gewonnen, macht ihnen gezieltes Lesen, verbunden mit Arbeitsaufträgen, Rätseln oder Quiz auch Spaß. Schnell verschwindet voreilige und allgemeine Kritik, und aus pauschaler Ablehnung werden sachliche Hinweise, wie man Qualitätszeitungen für Jugendliche lesbarer machen könnte.

Den folgenden Kritikpunkten liegt eine Arbeit der 1. Leistungsgruppe der 4. Klasse Hauptschule aus Deutsch in der HS 1 Bad Aussee zugrunde. Die 14jährigen Schülerinnen und Schüler erarbeiteten gemeinsam Punkte, die sie sich von den Zeitungsverlagen als Verbesserung wünschen würden. Daß die Bevorzugung von kleinformatigen Zeitungen nicht nur inhaltliche, sondern auch praktische Gründe hat, zeigen die Aussagen einiger Schüler:

Stefan: „Zeitungen im Berliner Format sind unhandlich und unangenehm zu lesen. Oft fällt die Zeitung schon auseinander, wenn man sie aufschlägt."

Ein Hauptkritik-Punkt, der in allen Stellungnahmen zu finden war, zielt auf die Verständlichkeit der Texte. Zusammenhänge sind für Jugendliche oft nicht klar, durch zuviele Fachausdrücke und Fremdwörter verlieren die jungen Leser oft schnell das Interesse.

Katharina: „Wenn in jedem Artikel fünf Wörter stehen, die ich nicht verstehe, und ich erst in einem Fremdwörterbuch nachschauen muß, verliere ich das Interesse und lege die Zeitung weg."

Tanja: „Hilfreich wäre ein Kästchen, in dem schwierige Wörter erklärt werden." Ernstzunehmen ist dieser Hinweis vielleicht gerade deswegen, weil durchaus nicht nur Jugendliche durch das Nichtverstehen von Begriffen und Wörtern vom Zeitunglesen abgehalten werden. Die Forderung nach optischer oder graphischer Veranschaulichung von Zusammenhängen ist in den Anregungen ebenfalls nicht zu übersehen.

Sabine: „Oft ist ein Thema zwar interessant, aber schwer verständlich. Da sollten mehr Graphiken eingebaut werden." Unüberhör-bar ist bei allen jedoch der Ruf nach einer eigenen Jugendseite.

Christina: „Und überhaupt kommen die 13- bis 16jährigen in einer Zeitung zu kurz."

Simon: „Es gibt zwar in einigen Zeitungen Seiten für Kinder, aber kaum für Jugendliche!"

Markus: „Es wäre sicher sehr hilfreich, wenn eine Zeitung ein eigenes ,Buch' für Jugendliche anbieten würde, in welchem die interessantesten Themen des Tages einfach formuliert und verständlich dargestellt werden."

Julia: „Es fehlen eindeutig Seiten für Jugendliche, denn die interessiert nicht das gleiche wie die Erwachsenen." Anna: „Außerdem wird in Qualitätszeitungen viel zu viel über Politik geschrieben. Welchen 14jährigen interessiert es schon, warum sich Politiker streiten?"

Maria: „Meistens ist nur etwas für Kleinkinder oder Erwachsene in der Zeitung, aber nie etwas für uns Teenager. Auch knifflige Preisrätsel wären ein neuer Ansporn für uns Jugendliche."

Michaela: „Die Zeitungen sollten für Jugendliche attraktiver gestaltet werden. Das könnte in Form einer eigenen Jugendseite mit den Ereignissen aus Film und Musik sein. Vielleicht könnte man diese Seite an Stelle der Kinderseite bringen, denn ich glaube, daß mehr Jugendliche als Kinder Zeitung lesen."

Oskar: „Kinderseiten sind oft nur für ganz kleine Kinder geeignet. Es sollte eine eigene Seite für Teenager geben, wo man von aktuellen Trends oder über Popgruppen berichtet."

Interessant ist, daß Jugendliche aus Gründen der Attraktivität und Einfachheit viel häufiger zu Boulevardblättern greifen, sich aber an ihrer sprachlichen Gestaltung oft stoßen. Maria: „Boulevardzeitungen sind zwar leicht zu lesen, aber oft in einer Art Stummelsprache geschrieben, daß ich mich oft frage, ob das noch Deutsch ist."

Oskar: „Für uns Schüler ist das sogenannte Zeitungsdeutsch ein Problem. Für Zeitungen ist zwar diese Sprache die beste Lösung, aber in der Schule darf dieser Stil nicht verwendet werden. Die Journalisten sollten ein Vorbild für uns sein!"

Zusammengefaßt muß ich anfügen, daß alle beteiligten Schüler die Auseinandersetzung mit dem Medium Zeitung sehr ernst genommen haben. Es gab keinen einzigen Fall der totalen Ablehnung. Darüber hinaus war aus den Formulierungen erkennbar, daß den Schülern ein Vorteil durch die verstärkte Nutzung von Zeitungen für die Sprache und die Allgemeinbildung bewußt ist. Grund genug für die Lehrer, verstärkt und gezielt Zeitungen im Unterricht einzusetzen und Grund genug für die Verlage, das eine oder andere Mal auch die Situation und die Bedürfnisse der 13- bis 16jährigen ins Auge zu fassen.

Der Autor ist

Lehrer in Bad Aussee.

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