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Wahrlich aller Grund zur Bescheidenheit
Herr B., 20 Jahre alt, hat nach einigen Psychiatrieaufenthalten seine Arbeitsstelle verloren und wird frühpensioniert. Da sich sein Befinden gebessert hat, möchte er wieder arbeiten und zur beruflichen Orientierung an einem Kurs im Berufsfindungszentrum teilnehmen. Das Ansuchen um Ruhen der Frühpension wird von der Pensionsversicherungsanstalt abgelehnt. Herr B. kann den bezahlten Kurs, seine einzige Chance, ins Berufsleben zurückzufinden, nicht besuchen. Er kann zwar von der Frühpension leben, fühlt sich aber minderwertig, hat keine Kontakte und sieht für die Zukunft wenig Hoffnung.
Psychisch kranke Menschen und deren Familien, die oft ohne Betreuung durch öffentliche Einrichtungen an der vordersten Psychiatriefront stehen, werden auf ihrem mühevollen Lebensweg allzuoft alleingelassen, die Betreuung schwieriger Patienten wird manchmal sogar abgelehnt. Fehlende nachgehende Sozialarbeit führt oft zu Obdachlosigkeit.
Um nicht durch Negieren dieser Notstände schuldig zu werden, begannen Mitarbeiter des Vereins Regenbogen im Jahr 1992 die „Initiative zur Verbesserung der psychosozialen Situation in Wien" , in der nun viele öffentliche und private Einrichtungen, darunter HPK (Hilfe für An gehörige psychisch Erkrankter, siehe auch Furche 26/94, Seite 11), Pro Mente Infirmis, Verein „Eigenart", Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, mitarbeiten. Seit August 1992 bemühte sich die Initiative um Kontakte zu verantwortlichen Politikern, es gab auch ein Treffen mit Stadtrat Rieder und Leitern psychiatrischer Kliniken. Die anfänglich konstruktiven Gespräche wurden jedoch von Stadtrat Rieder abgebrochen, obwohl er zugesagt hätte, binnen drei Monaten Arbeitskreise zu den Schwerpunkten
■ Medizinische und psychosoziale Versorgung,
■ Arbeit, Beschäftigung, Freizeit, Tagesstruktur,
■ Wohnen,
■ Information und Beratung einzurichten.
Wiederholte Terminurgenzen der Initiative endeten mit dem Bescheid, der Herr Stadtrat hätte die Angelegenheit weitergeben. Auch der Versuch eines Erfahrungsaustausches mit den Primarärzten des Psychosozialen Dienstes scheiterte, zum vorgesehenen Termin erschien niemand.
Um die nach wie vor prekäre Situation der psychisch Kranken einer breiteren Öffentlichkeit deutlich zu machen, veranstaltete die Initiative am 29. Juni 1994 ein „Gespräch im Narrenturm", und formulierte dort ihre Zielvorstellungen.
Die Initiative fordert die Einrichtung eines Forums für sozialpsychiatrische Versorgung in Wien unter Beteiligung der Gemeinde Wien und Einbeziehung aller in diesem Bereich tätigen Initiativen und Vereine, um die gesicherte nachgehende medizinische und soziale Betreung psychisch Kranker gewährleisten zu können. Das Potential der in der Initiative vertretenen Einrichtungen soll mehr genützt und diese besser unterstützt werden. Eine regionale Venetzung wäre notwendig. „Hinlaufhäuser", in denen in Krisensituationen ohne Formalität Hilfe angeboten wird, stellen eine wirksame Maßnahme zur Prävention dar. Beratungsprogramme für Angehörige und Einbindung psychiatrisch geschulter Fachleute in bestehende soziale Dienste könnten belastete Familien psychisch Kranker stützen.
Da psychisch Kranke besonders an Arbeitslosigkeit leiden, ist auch hier eine bessere soziale Integration zu fordern, existierende Konzepte und Projektvorschläge sollen berücksichtigt werden. Arbeits-, Beschäftigungs-Ausbildungs- und Freizeitangebote müssen ein wesentlicher Bestandteil sozialpsychiatrischer Angebote werden. Psychisch Kranke haben andere Defizite und Fähigkeiten als körperlich oder geistig Behinderte, daher sollten die Arbeitsangebote nicht nur im handwerklichen Bereich liegen.
Notwendig ist auch die Schaffung einer zentralen Beratungsstelle, die kostenlos und anonym beansprucht werden kann und auf Probleme psy chisch Kranker ausgerichtet ist.
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