Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Antwort sucht Frage
Mit folgender Heiratsannonce gehe ich schwanger -trotzdem wird es keine Muß-Ehe: „Wohlsituierte, vielwissende Antwort sucht kesse, auch reife Frage.” Ich habe nämlich auf alles eine Antwort. Warum Sie nicht? Journalisten werfen unentwegt Fragen auf, und Politiker fallen darauf rein. Ich bin kein Journalist, höchstens ein schreibender Beamter (für das Lesen ist mein Kollege Dr. P. zuständig). Ich bin auch kein Politiker, höchstens ein Nutznießer ihrer Entscheidungsfreudigkeit. Aber darüber wollte ich heute nicht schreiben. Vielmehr über meine fragenlose Antwort, die mutter(teresa)seelenallein, nicht einmal für meine Mit- geschweige denn für meine Gegenmenschen irgendetwas übrig hat. So sehen auch meine Antworten (welch' Wunder, sie haben sich auch ganz ohne Fragen vermehrt) aus. Hier eine kleine, appetithemmende Kostprobe: ■ Wir lassen keine Ausländer mehr rein, die überschüssigen schicken wir heim. Begründung: Ich bin schon drinnen.
■ Die gute Luft wird wieder hergestellt, indem wir keine Führer-, sondern nur Führerinnenscheine ausgeben. Begründung: Ich kann nicht au-tofahren.
■ Auf Nikotin- und Alkoholwaren schlagen wir. einen 500prozentigen Zuschlag drauf. Begründung: Ich bin Nichtraucher und Abstinenzler.
■ Politiker dürfen keine Zeitungen lesen und Meinungsbefragungen lancieren. Begründung: Ich bin Publizist und Soziologe.
■ Emanzen dürfen nur mehr Machos heiraten. Begründung: Ich bin schon verheiratet.
So sehen meine fach-, sach- und auch sonst sinnlosen politischen Antworten, so ganz ohne Fragen, aus.
Ich habe natürlich nicht nur politische, sondern auch andere Antworten. Zum Beispiel: Ich habe zwar eine ausgesprochen schlechte Beziehung zur Allgemeinbildung, trotzdem halte ich „Cornet” nicht für eine verkürzte Eistüte Rilkes. Da mich niemand nach dem „Cornet” fragt, habe ich solche Antworten.
Ich* habe lange nachgedacht, warum man mir keine gescheiten Fragen stellt. So war der letzte Mensch, der mich gefragt hat, wie es mir hier gefällt, die Hebamme. Bis ich ihr eine ausführliche Antwort geben konnte, verschwanden einige Jahrzehnte, Kriege, Diktaturen, Revolutionen und unser Hausmeister auf Nimmerwiedersehen. Auch meine Hebamme.
Zu den wenigen, die mich gefragt haben, gehörten meine Lehrer in der Volks-, Mittel- und Hochschule (par-don: Universität), ob ich sehr viel Sinn im Besuch ihrer jeweiligen Anstalt sehe. Ähnliche Fragen stellten mir meine jeweiligen Chefs und Chefinnen, und der einzige Mensch, dem ich entschieden mit „Ja!” antworten konnte, war der Standesbeamte.
Seither fragt mich niemand mehr. Und ich hätte noch so viele Antworten, so ganz ohne militärischen Aufmarsch parat. Apropos: Militär. Ich liebe Uniformen und habe nur vor dem Krieg Angst. Schon als Kind liebte ich Soldaten statt Schuldaten und wollte nach jeder Lateinschularbeit zur Fremdenlegion. Ich blieb aber und mit mir meine Antworten, die sehnsüchtig aufpassende Fragen warten. Aber wer fragt mich schon? Zumindest kein Politiker vor den nächsten Wahlen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!