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Alles über Musik und Musiker

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DIE MUSIK IN GESCHICHTE UND GEGENWART. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes herausgegeben von Friedrich Blume. Band 12 (Schoberleehner — Symphonische Dichtung). Mit 84 Bildtafeln, 5 Farbtafeln, 298 Textabbildungen, 27 Notenbeispielen, 9 Notentafeln und 10 Tabellen, 1918 Spalten. Bärenreiter-Verlag, Kassel-Basel-London-New York.

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DIE MUSIK IN GESCHICHTE UND GEGENWART. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Unter Mitarbeit zahlreicher Musikforscher des In- und Auslandes herausgegeben von Friedrich Blume. Band 12 (Schoberleehner — Symphonische Dichtung). Mit 84 Bildtafeln, 5 Farbtafeln, 298 Textabbildungen, 27 Notenbeispielen, 9 Notentafeln und 10 Tabellen, 1918 Spalten. Bärenreiter-Verlag, Kassel-Basel-London-New York.

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In den Jahren 1949 bis 1951 sind die Lieferungen des ersten Bandes dieses Monumentalwerkes erschienen, dem im deutschsprachigen Raum nichts an die Seite zu stellen ist und das wohl für Jahrzehnte die Musikenzyklopädie bleiben wird. Denn eine solche Anzahl prominenter und auch kompetenter Fachleute (ihre Namen füllen im 12. Band neun Spalten) wird kaum mehr zu mobilisieren sein — und die älteren von ihnen sterben, einer nach dem andern. Rechnet man die Vorbereitungszeit ein, so wird an diesem Werk bereits rund zwei Jahrzehnte lang gearbeitet. Wenn wir uns recht erinnern, waren zwölf Bände geplant. Der vorliegende, vorläufig letzte Band reicht bis zum Buchstaben T. Es werden also wohl noch zwei Bände folgen, an die sich dann die Ergänzungen und Nachträge anschließen können.

Der österreichische Leser des 12. Bandes (und man wünscht diesem Werk möglichst viele Leser neben den „Benützern“) wird bereits auf der ersten Seite heimatlich angesprochen. Er beginnt nämlich mit einer kleinen, aber erschöpfenden Monographie des Wiener Komponisten und Klaviervirtuosen Franz Schoberlechner, einem Zeitgenossen Schuberts, verfaßt von Eva Badura- Skoda. Einige Seiten weiter finden wir eine Würdigung des Wiener Komponisten und Akademieprofessors Robert Scholium aus der Feder des inzwischen verstorbenen Friedrich Wildgans. Eine ganze Spalte hat Hans Jancik mit einer interessanten kleinen Studie über die Brüder Johann und Josef Schrammel aus Neulerchenfeld sowie über die Schrammelmusik gefüllt. Hierauf folgen 80 Spalten über Franz Schubert, dem Umfang und der Anlage nach eine vollgültige Monographie, verfaßt von Maurice Brown und H. F. Redlich (dem Sohn des letzten k. und k. Finanzministers Joseph Redlich). Eina immense Arbeit steckt auch in dem Werk- und Literaturverzeichnis, das Hortschansky und Pfannkuch erarbeitet haben.

Gleichfalls den Umfang einer kleinen Monographie hat das Robert- Schumann-Kapitel, einschließlich der Würdigung von Clara Schumann und der „Neuen Leipziger Zeitschrift für Musik“ durch Eduard A. Lippman (etwa 52 Spalten). Heinrich Schütz, Ludwig Senfl, Smetana, Sibelius, Skrjabin bis Skalkottas: Für jeden von ihnen hat man einen Fachmann gefunden. Besonders hervorgehoben sei der Schönberg-Artikel von H. H. Stuckenschmidt, der uns aber dem Umfang nach etwas knapp bemessen erscheint, verglichen etwa mit dem Othmar-Schoeck-Beitrag von Willi Schuh, gleichfalls einem ersten Fachmann, dem man sieben Spalten konzidierte. In dem Artikel über Schostakowitsch von Karl Laux sind im biographischen Teil nur die Ehrungen und Auszeichnungen des bekannten Sowjetkomponisten erwähnt, nicht aber die Rügen und Anfeindung«!, denen er ausgesetzt war. Es entspricht nicht ganz der historischen Wahrheit, daß Schostakowitsch seine „Lady Macbeth von Msensk“ nur deshalb umbearbeitet hat, weil sie nach seiner eigenen Meinung „viel Unvollkommenes enthielt“. Auch Franz Schreker, obwohl heute, leider, kaum mehr gespielt, hätte schon als Lehrer so verschiedenartiger Künstler wie Grosz, Häba, Kor-

nauth, Krenek, Petyrek, Pisk, Salmhofer und Schmidt-Isserstedt eine ausführlichere Würdigung verdient.

Neben den Biographien seien einige Ländermonographien (von Schottland bis Südamerika) sowie Sachartikel erwähnt. Ob es zweckmäßig ist, über Schweden ein ganzes Dutzend und über die Schweiz ein halbes Dutzend Autoren schreiben zu lassen, sei dahingestellt. Aber das mag ein Zeichen der rapid fortschreitenden Spezialisierung sein. Sehr willkommen sind auch eine ganze Reihe das eigentliche Fachgebiet transzendierende Beiträge wie der über Schopenhauer oder Christian Friedrich Daniel Schubart, Shakespeare und G. B. Shaw. Von besonders fundierten Sachartikeln nennen wir den über das Schuldrama, die Sonate, Stil (mit umfassendem Literaturverzeichnis), Stimme, Streichinstrumente, Streichquartett, Symphonie und Symbolik. Auch einige prominente zeitgenössische Musikkritiker, wie Willi Schuh, Heinrich Strobel und H. H. Stuk- kenschmidt, erfahren wohlverdiente Würdigung.

Für den Rezensenten war es recht bewegend, aus dieser „Allgemeinen Enzyklopädie“ Näheres über die letzten Jahre seines verehrten Lehrers Georg Schünemann zu erfahren. Mit der „Geschichte der deutschen Schulmusik“, der Monographie über das Lied der deutschen Kolonisten in Rußland, seinen Studien über das Dirigieren und die deutsche Bach- Pflege, als Herausgeber von Beethovens Konversationsheften und der Übertragung dreier Mozart-Opern ins Deutsche, weist sich dieser feine und bescheidene Mann als wahrhaft enzyklopädischer Geist aus. Von 1920 bis 1933 war er, als stellvertretender Direktor (den ersten Platz ließ er immer gerne anderen) der gute Geist der Berliner Musikhochschule, unter dessen toleranter Leitung so verschiedenartige Künstlerpersönlichkeiten wie Franz Schreker (der eine Zeitlang Direktor der Hochschule war), Paul Hindemith und Arnold Schönberg offene oder geschlossene Kurse sowie Vorträge im Rahmen von Schünemanns Vorlesungen halten konnten. 1933 fristlos entlassen, war er später als Leiter einer Musikinstrumentensammlung und eines Musikinstituts für Ausländer tätig, also auf ein Nebengleis geschoben. Nach 1945 hätte für ihn ein neuer Lebensabschnitt beginnen können, aber er starb bereits am 2. Jänner des gleichen Jahres …

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