Die Hoffnung auf Frieden wird nicht aufgegeben

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Sie verlassen seit Jahren in Scharen ihre Heimat. Aber Erzbischof Elias Chacour ist überzeugt: Gute Bildung bewahrt vor Abwanderung der Christen aus dem Heiligen Land. Ein Lokalaugenschein bei den Christen in Israel und Palästina zur Jahreswende 2009/2010 (vgl. auch Seite 6 dieser FURCHE).

Auch das Jahr 2010 bedeutet für die Christen im Heiligen Land, die Hoffnung auf Frieden nicht aufzugeben. Das eben vergangene Weihnachtsfest brachte einen Rekord an Pilgern, wie es schon lange nicht mehr der Fall war. Ein Jahr nach dem Gaza Krieg ist es relativ ruhig geworden und die Bevölkerung in Israel und in den palästinensischen Gebieten wirkt ermattet von den andauernden Kämpfen.

Auch in Betlehem blieb die Atmosphäre erstaunlich friedlich. „Es gab keine Zwischenfälle während der Weihnachtstage“, erzählt eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung, die sich wie viele Betlehemiter mit der Tatsache, dass ihre Stadt vom Rest Israels durch eine an manchen Stellen bis zu acht Meter hohen Mauer völlig abgetrennt ist, irgendwie resignierend abgefunden hat.

Anschlag in Nazaret

Am 29. Dezember wurde hingegen auf das Haus des Bürgermeisters von Nazaret, Ramez Jaraisy, ein Anschlag verübt, der einmal mehr verunsicherte. Keine Organisation wollte sich zur Tat bekennen. Es scheint jedoch eine deutliche Warnung für den Bürgermeister zu sein, der zwar von seiner ethnischen Abstammung her Christ, sonst aber überzeugter Kommunist ist. Seit den Vorbereitungen für den Papstbesuch im vergangenen Mai setzt sich Ramez Jaraisy verstärkt für die Anliegen der Christen in Nazaret ein. Das scheint einigen Leuten ein Dorn im Auge zu sein.

Einen Tag nach dem Attentat besuchte das Oberhaupt der Katholiken im Heiligen Land, der Lateinische Patriarch Fuad Twal, den Bürgermeister von Nazaret. Wahrscheinlich wussten die Attentäter Bescheid über den hochrangigen Besuch und schlugen deshalb davor zu. Ein Leibwächter wurde schwer verletzt, doch Ramez Jaraisy, der zu diesem Zeitpunkt mit seiner Familie in seinem Haus war, passierte nichts. Er ließ sich durch diese Aktion auch nicht einschüchtern.

Ramez Jaraisy, der sich früher kaum um seine christlichen Mitbürger kümmerte, hat sich im vergangenen Frühjahr bereit erklärt, der von Erzbischof Elias Chacour gegründeten ersten arabischen Hochschule in Israel ein Gebäude in Nazaret zur Verfügung zu stellen. Elias Chacour, der die melkitische (griechisch-katholische) Kirche in Israel leitet, hat dem Bürgermeister während der Papstmesse am 14. Mai in Nazaret dafür gedankt. Während dieser Messe segnete Benedikt XVI. den Grundstein der Hochschule.

In Nazaret selbst, einstmals die größte christliche Stadt Israels, leben zur Zeit nur noch 30 Prozent Christen. In ganz Israel stellen sie eine Minderheit von rund zwei Prozent dar. Die Abwanderung der Christen aus Israel und den Palestinänsergebieten hat dramatisch zugenommen. Die größte Gruppe der Christen sind weiterhin die Melkiten, von denen die meisten versucht sind, wegen der ständigen, alltäglichen Schwierigkeiten das Land zu verlassen. Sie fühlen sich nicht nur von der jüdischen Mehrheit vernachlässigt, sondern oft auch von den Christen der ganzen Welt in Stich gelassen.

Auch wenn Pilgerreisen ins Heilige Land wieder große Beliebtheit genießen, so verirrt sich doch kaum eine dieser Gruppen in ein christliches Dorf im Norden Galiläas, um neben den Heiligen Stätten und alten Gemäuern auch die „lebendigen Steine des Heiligen Landes“ kennenzulernen, wie Erzbischof Chacour die arabischen Christen zu nennen pflegt. „Jede Pilgergruppe sollte zumindest eine Stunde während ihrer Reise einplanen, in der sie mit einheimischen Christen zusammentrifft,“ so Chacour, der sich trotz seines vollen Terminkalenders immer Zeit für eine Begegnung mit Pilgern nimmt. „Das Wichtigste ist eure Freundschaft und Solidarität“, beteuert der energische Erzbischof, der für sein Engagement für die Verständigung zwischen Palästinensern und Juden bekannt geworden ist und deshalb dreimal für den Friedensnobelpreis nominiert wurde.

„Uns fehlt leider eine internationale Vernetzung“, erzählt Chacour: „Wir sind nicht gut genug organisiert, um unsere weltweiten Beziehungen zu unseren Freunden aufrechtzuerhalten.“ Doch manchmal gelingt es dann doch, dass eine schöne Begegnung zwischen den Pilgern und den arabischen Christen zustande kommt. „Letzten Sommer haben wir hier in Galilea 15.000 Jugendliche aus Frankreich für einen, Youth Day‘ empfangen. Sie sind mit Erzbischof André Vingt-Trois aus Paris ins Heilige Land gepilgert und trafen sich hier mit einheimischen Jugendlichen. Es war eine wunderbare Erfahrung“, stellt er zufrieden fest.

Ein attraktives Angebot für arabische Jugendliche in Israel zu schaffen, damit sie nicht gezwungen sind, sich im Westen für einen guten Job zu bewerben, ist eine der größten Herausforderungen für alle christlichen Gemeinschaften im Heiligen Land.

Chacours beeindruckende Initiativen

Deshalb hat Erzbischof Chacour schon als kleiner Pfarrer im galiläischen Dorf Ibillin eine beeindruckende Bildungseinrichtung geschaffen, die, angefangen vom Kindergarten bis hin zur ersten arabischen Hochschule, der einheimischen Bevölkerung eine gute Ausbildung mit Chancen auf eine Arbeit in Israel ermöglicht. In den „Mar Elias Institutions“ lernen und studieren inzwischen mehr als 4500 arabische Christen, Drusen und Muslime, wobei 60 Prozent der Studierenden muslimische Frauen sind. Unter dem tätigen Lehrpersonal befinden sich auch einige jüdische Universitätsprofessoren, die sich für das Experiment einer sogenannten „Friedensuniversität“ zur Verfügung gestellt haben, in der alle Studenten erst einmal ein Studium über Konfliktbewältigung, Friedensforschung und die Menschenrechte absolvieren müssen. Da kommt das Angebot des Bürgermeisters von Nazaret, in seiner Stadt einen neuen Campus zu eröffnen, gerade rechtzeitig. Ende Februar dieses Jahres soll in dieser neuen „Nazaret-Galilee Academic Institution“ der Unterricht in zwei Fakultäten – Chemie und Umweltstudien sowie Soziale Kommunikationsmittel – wieder aufgenommen werden.

Die erste christliche Universität

Shany Payes, eine junge Jüdin, die in Oxford ihre Dissertation über verschiedene Friedensinitiativen in Israel geschrieben hat, ist für die inhaltliche Gestaltung des Versöhnungs-Studiums verantwortlich. Geries Khoury, Direktor des Al Liqa Centers in Betlehem, das seit 30 Jahren im interreligiösen Dialog tätig ist, wurde von Erzbischof Chacour mit dem Aufbau eines Bachelor-Studiums in Theologie für Laien betraut, in dem auch dem multikulturellen Umfeld Rechnung getragen wird. „Ich glaube an einen kontextualisierten Dialog, der das reelle Umfeld der verschiedenen Konfessionen mit einbezieht. Die Herausforderungen im Dialog mit dem Islam sind im geografischen Kontext verwurzelt. Unsere Herausforderungen sind ganz anders als die bei Ihnen im Westen, weil auch unser Umfeld ein ganz anderes ist“, erläutert der Direktor des Al Liqa Centers und fügt weiter hinzu: „Ich bin überzeugt, dass Bildung ein wichtiger Bestandteil ist, aber ohne moralische Werte haben wir keine menschliche Erziehung und letztendlich auch kein menschliches Leben. Wenn wir unsere moralischen Werte verlieren, können wir auch im interreligiösen Dialog oder auf irgendeinem anderen Gebiet nichts erreichen.“

Der Bedeutung des Themas Bildung stimmt auch der Lateinische Patriarch Fuad Twal zu. „Wir brauchen mehr Dialog und auch mehr Bildung. Wir brauchen Mut, etwas Neues zu beginnen“, erklärt der gebürtige Jordanier, der vor einem Jahr dem Palästinenser Michel Sabbah auf den Patriarchensitz in Jerusalem gefolgt ist. Seiner Meinung nach ist es in Jordanien einfacher als in Israel, eine christliche Bildungseinrichtung zu schaffen, da es „in Israel für jede Kleinigkeit eine Genehmigung seitens der Regierung bedarf“. Fuad Twal treibt daher sein eigenes Projekt einer christlichen Universität in der jordanischen Stadt Madaba voran.

Doch wie alle ehrgeizigen Projekte letztendlich oft am Geld scheitern, so ist auch bei diesen beiden Universitätsgründungen die Finanzierung noch nicht gesichert. Das israelische Ministerium für Minderheiten hat zwar Anfang Jänner einen ersten Schritt getan und nach einer formellen Akkreditierung der „Nazaret-Galilee Academic Institution“ den Fakultäten eine finanzielle Unterstützung zugesagt. Aber solange dieses Geld nicht wirklich auf dem richtigen Bankkonto gelandet ist, klingen viele schöne Sätze leider nur nach leeren Versprechungen.

* Die Autorin ist freie Journalistin und Ko-Autorin der Biografie „Elias Chacour. Israeli-Palästinenser-Christ“ (Herder 2007)

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