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Brasilien teilt Boden auf

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Die Bodenreform — unerläßliche Bedingung für Kennedys Allianzhilfe — steht zur Zeit in Brasilien im massiven Kreuzfeuer der Kontroverse vor dem Kongreß, auf allen Plätzen, wo einander Menschen treffen.

Die Masse ist für Gewalt. Fidel Castro hat „den Weg gezeigt“. Tausende von Landarbeitern haben sich im Nordosten und im Süden der Ländereien bemächtigt. In den Wäldern von Venezuela und am Amazonas sammeln sich „Befreier“. Tschechische und belgische Waffen werden an versteckten Plätzen der atlantischen Küste ausgeladen. Die erbeingesessenen Mächte scheinen zu erwachen. Das Wort der Bischöfe klingt hart an ihre Ohren.

Der reichste Großgrundbesitzer Brasiliens ist der Bundespräsident selbst, „Genosse“ J. H. Goulart. Seinen unbeugsamen Standesgenossen gab er soeben ein Beispiel, er stellt tausend Alqueires (ein Alqueires ist zweieinhalb Hektar) zur Besiedlung „unter günstigen Kaufbedingungen“ zur Verfügung. Der erste, der ihm jetzt seine weise Voraussicht nachmacht, ist sein Schwager, der linksradikale Gouverneur des Staates Rio Grande, Leonel Brizola, ein typischer Emporkömmling aus eigener Kraft (nämlich durch Schmuggelf). Auch er teilt tausend Alqueires für Bauern auf.

Ein viel bedeutenderes Projekt ist die Aufteilung des brasilianischen Teiles der früheren „Missiones“ der Jesuiten (fälschlich Jesuitenstaat genannt).

Vor 350 Jahren sammelten die Jesuiten die Guarani-Indios im Gebiet der Ströme des Paranä und Uruguay, um sie vor der Ausbeutung der spanischen und portugiesischen Kolonisten zu schützen. Ihrem eigentümlichen Gefühl für Stammeseinheit entgegenkommend, schufen sie die sogenannten Reduktionen. Dörfer. Jeder Indio hatte die gleiche Hütte, die gleiche Verpflegung, die gleiche Kleidung. Ob auf den Feldern oder in den Handwerksstuben, alle arbeiteten für die Gemeinschaft. Bei den großen Kirchenfesten manifestierte sich immer wieder diese Gemeinsamkeit machtvoll. Wie ein Märchen wirken die Berichte aus jenen Reduktionen. In der Blütezeit zählten sie gegen 200.000 Seelen. (Ähnliche Reduktionen gründete der Jesuitenorden im Flußgebiet des Orinoko in Venezuela, bei den Kopfjägern des oberen Amazonas und in Bolivien.) Nebenbei bemerkt, einen hervorragenden Anteil an diesen Missiones hatten deutsche Jesuiten. Um nur einen zu nennen, den Tiroler P. Antonii Sepp, der mit seinem indianischen Orchester und Chol selbst an den europäischen Fürstenhöfen von sich reden machte. Wenn heute ausländische Touristen nach Rio de Janeiro kommen, werden sie nach der neuen Hauptstadt Brasilia geführt. Nach dem Wort des Chefredakteurs der „Iswestija“ in Moskau, Herrn Adschubej, sollen die monotonen Mammutbauten dort ein Dokument der klassenlosen Zukunft sein im deutlichen Gegensatz zum Kapitol der amerikanischen Imperialisten.

Warum Goulart seinen Genosser nicht die Jesuitenreduktionen von Sac Miguele in seiner Heimat Rio Grand« zeigt? Das wäre der rechte An schauungsunterricht für die Kommu' nisten. Die von Indios in zehn Jähret erbaute fünfschiffige Kathedrale stell selbst in ihren Trümmern und ausge plündert noch ein staunenswerte: Zeugnis jenes „christlichen Sozialis mus“ im 17. Jahrhundert dar.

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