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Isar und Moldau

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Bayern hat als einziges unmittelbar an die Tschechoslowakei angrenzendes Bundesland die jüngsten Ereignisse in Prag auf besondere Weise registriert und einige praktische Konsequenzen gezogen, die nicht unerheblich auf das künftige deutsch-tschechoslowakische Verhältnis einwirken dürften. Schon vor dem Prager Frühling war es auf mehreren Ebenen zu dauerhaften Kontakten gekommen. Zunächst und am natürlichsten im kleinen Grenzverkehr, wo Wasser- und Förstfra- gen gemeinsam erörtert werden mußten. Hier war es der CSU-Land- rat des kleinen Landkreises Cham beim Grenzübergang Furth im Wald, der allmählich in die Rolle eines Exponenten dieser Grenzgespräche hineinwuchs und sie geschickt auszubauen wußte.

Eine zweite Kontaktebene ergab sich durch das gemeinsame kulturelle und wissenschaftliche Erbe der Völker an der Donau. Regensburg war durch seine geographische Außenseiterlage und Geschichtsträchtigkeit prädestiniert, eine entsprechende Miittlerfunktion auszuüben und ein summarischer Rückblick auf die letzten Monate beweist, daß die ehemalige Stadt des Ewigen Reichstags durchaus gewillt ist, ihre Chance zu nutzen. Der dortige Bischof, Gräber, versteht den von der Deutschen Bischofskonferenz erhaltenen Auftrag, Kontakte mit den Ostkirchen herzustellen, in extensiver Weise. Seine Besuche in Hag sind mittlerweile Routine geworden, und nicht zuletzt seinen Bemühungen ist es zuzuschreiben, daß sich die Beziehungen der CSSR mit dem Vatikan um einige Grade gebessert haben.

Einen dritten Weg schließlich gingen die bayrischen Sozialdemokraten, bei denen eine gewisse ideologische Affinität manche Schwierigkeiten besser zu überwinden verhieß. Erst war es ein Kontakt der Hofer und Bayreuther SPD-Promi- nenz mit Karlsbad, Eisenstein und anderen tschechischen Städten über fremdenverkehrstechnische Probleme. Bald darauf folgte eine Prager Reise des Vorstands der bayrischen Jungsozialisten, die in vielen Gesprächen und einem Manifest ausmündete, das den Kurs noch um einige Punkte weiter links festlegte.

Die Ereignisse des Prager Frühlings bewirkten, daß all diese bestehenden Kontakte sich rasch verstärkten und nach außen deutlicher in Erscheinung traten. Auf Regierungsebene ergriff Bayerns stellvertretender Ministerpräsident und Landwirtschaftsminister Hundhammer die Initiative. Sein Besuch in Prag galt offiziell nur Fragen, die sich mit Holz- und Getreidelieferun- gen befaßten. Doch Hundhammer, bekanntester Anti-Nazi des bayri schen Kabinetts und Veteran zweier Weltkriege, dürfte in der tschechischen Hauptstadt auch Gespräche geführt haben, die über sein eigenes Ressort hinausreichten. Ein unerwartet starker Applaus in der Jahresversammlung der Jungen Union in München bewies ihm nachher, daß seine Reise zumindest von den Jungen als positives Zeichen verstanden worden war.

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