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osterreichische Geschichte

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Gaßlbrauch und Gaßlspruch in Oesterreich. Von Ilka Peter. Otto-Müller-Verlag, Salzburg 1953. 368 Seiten und eine Verbreitungskarte. Preis 92 S.

Was Peter im großen erfaßt, veranschaulicht und erklärt, ist das alpenländische „Fensterin“, das in dieser Art im Dorfe aufkam, als um 1700 verschiedene Landesfürsten das Zusammenschlafen der Knechte und Mägde in einer Kammer abstellten und die Hofbesitzer „Buben- und Mentscher-kammern“ errichten mußten. Um jedwedes Einsteigen in letztere zu verhindern, wurden die Fenster der Mägdekammer vergittert. Das Anklopfen und Spruchwechseln beim Fenster ist in dieser Art demnach nicht über 300 Jahre alt. Die Anklopflieder dagegen entstammen einer höfischen Sitte und sind eine Weiterbildung der alten Liebesgrüße. Fastnachtspiele bekunden, wie sie aus der höfischen in die dörfliche Welt übergingen. Die Epoche des tatsächlichen „Gaßlgehns“ dagegen ging der des dörflichen „Fensterlns“ voraus, als sich auf der Gasse zu abendlicher oder nächtlicher Stunde noch alles abspielte, was die Jungmannschaft der ländlichen Arbeit aus der dumpfen Schlafkammer ins Freie hinausdrängte und zu Kundgebungen ihres Empfindens und Wollens zusammenführte, alle fahres- und lebenszeitlichen Ereignisse, jede Art von Volksjustiz, auch alle Arten der Ausrichtung zum anderen Geschlecht. Das „Laufen“ in der Vorwinter- und Vorfrühlingszeit gehörte ebenso dazu. Erst die Aufklärung schob die meisten dieser Bräuche in den hellen Tag.

Das vorausgesetzt, wird Peters Werk fast ganz auf die „Fensterlperiode“ eingeschränkt. Darin hat es seine große Bedeutung. Es geht vom Salzburgischen aus, bezieht aber auch die übrigen österreichischen Länder ein und bringt zum ersten Male eine Gesamtüberschau über die einschlägigen Sitten und Bräuche, die bisher nur in Einzelheiten und Oberflächlichkeiten beachtet und beschrieben wurden. Nicht minder reich sind ihre Beispiele der Fensterisprüche. Was sie über die Juhschreie, über die Rechtsauffassungen der beteiligten Burschen und Hausväter beibringt, wirft manches neue Licht auf die älteren Formen und auf diese Art der „Nachtfreierei“, die sie mit dem Jahre 1932 als gewesen bezeichnet. Rühmend hervorzuheben ist auch Peters Zurückhaltung in vielen Ausdeutungen, für welche geschichtliche Belege über wohnliche und soziale Verhältnisse und Entwicklungen unumgänglich sind. Freilich mangeln unseren bisherigen Kulturgeschichten und Volkskunden solche Seiten ganz. Auch die Begünstigung der kultischen Samstagnächte zur Abwehr des vorwiegend samstägigen „Fensterlns“ und die nahe Verwandtschaft beider Motiven- und Wortschätze ist noch nie berücksichtigt worden. Peters Werk bedeutet demnach einen ansehnlichen Fortschritt und eine erfreuliche Festlegung versinkenden Brauchtums auf Grund vieler, gerade noch lebender und erfaßbarer Zeugnisse, aber auch einen kräftigen Anstoß, eine Verpflichtung im Bereiche der Volkskunde.

Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich. Neue Folge 30 (1949—1952). Gedächtnisschrift Max V a n c s a, II. Band. Selbstverlag des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. 262 Seiten, 36 Kunstdrucktafeln.

Nach vier Jahren folgt der lange erwartete zweite Band der Vancsa-Gedächtnisschrift dem ersten: die Verzögerung der Drucklegung war, wie so oft bei wissenschaftlichen Publikationen, nur durch den Mangel an Geldmitteln bedingt. Im vorliegenden, nun doch recht gut ausgestatteten und bebilderten Band finden wir geographische, prähistorische, kulturgeschichtliche und volkskundliche Beiträge vereinigt. Von den einzelnen Themen dürften namentlich die Ausführungen über Vergangenheit und Zukunft des Wiener Donauverkehrs, über die Goldwäscherei in Niederösterreich und über die Erforschung der Höhlen des Landes einen weiteren Leserkreis interessieren. Die Geschichte des politischen Witzes bereichert Leopold Schmidt mit seinem Aufsatz über zeitgenössische Schwankanekdoten um den Gegenreformator Niederösterreichs Kardinal Melchior Khlesl. Von einem wenig beachteten Sonderkapitel der Industriegeschichte, der Fabrikation „leonischer“, aus vergoldetem oder versilbertem Kupfer hergestellten Metallwaren, berichtet Josef Kallbrunner. Die Burgenkunde ist mit Abhandlungen über Schloß Sachsengang und die Ruine Starhemberg vertreten.

Gemeinsam mit seinem Vorläufer bildet der zweite Band der Gedächtnisschrift ein würdiges Monument für eine markante, unvergessene Gelehrtenpersönlichkeit.

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