Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Spielfeld Sudamerika
An der Schwelle des neuen Jahres hat die lateinamerikanische Presse mit Befriedigung festgestellt, ihr Kontinent sei „das größte Spielfeld im kalten Krieg“, an dem sich außer den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion jetzt auch Rotchina beteilige, geworden.
Ich brauche nur den Wellenknopf am Rundfunk drehen, um den Stimmen Amerikas, BBCs, aus Moskau, Peking (jetzt 50 Stunden wöchentlich!) zu lauschen, um einen Begriff zu bekommen, wie wir heute umworben werden. Für den nächstbesten Südamerikaner ist es ausgemacht, daß die Kapitalisten, die ihr Land nur als Quelle unermeßlicher Dividenden schätzen, von den Kommunisten langsam, aber sicher überrundet werden. Wagt ein Ausländer Sr. Sebastian entgegenzuhalten, ihre eigenen Politiker seien doch nicht sanftere Parasiten, dann wundert er sich über meine Beschränktheit. — Senhor, das ist was ganz anderes! Was geht es das Ausland an?
Angeblich gingen Amerika und die OEA (Organisation der Amerikanischen Staaten) geeint hervor aus der Ministerkonferenz des Interamerikanischen Wirtschafts- und Sozialrats, die im November in Sao Paulo abgehalten wurde. Mit einer lächerlichen Einmütigkeit wurden 25 Beschlüsse gefaßt und eine Reihe neuer Komitees gebildet. Das wichtigste wurde vergessen, ein Komitee für die Erfüllung der Bedingungen, unter denen in Punta del Este die „Allianz für den Fortschritt“ geschlossen wurde. Die meisten Länder haben dazu nicht einmal den Versuch gemacht, obwohl die Hilfsbedürftigkeit, das ganze Elend dieser unterentwickelten Länder erst seit Kennedys Hilfswerk in ihrem ganzen riesigen Ausmaß sichtbar geworden ist. Damals wurde die „Allianz“ geschlossen, um „mit vereinter Kraft und mit vereinten Opfern“, auch unter Beteiligung Westeuropas, das große soziale Werk durchzuführen. Obwohl inspiriert und ermuntert durch die Rundschreiben Papst Johannes' XXIII. denken die meisten Regierungen nicht an ihre eigenen Anstrengungen. Im Gegenteil, während sie auf ihr Recht auf Auslandshilfe pochen, sabotieren einige ihre eigenen Verpflichtungen. Auf ziviler Ebene würde eine solche Taktik als Erpressungsspiel bezeichnet werden. Wenn die „New York Times“ feststellte, daß Brasilien und Argentinien die Allianz für ihre eigenen Mißerfolge verantwortlich machen möchten und Washington durch Drohungen mit Investierungen aus dem Sowjetblock zwingen wollen, ihnen umfangreichere „Entwicklungsgelder“ zur Verfügung zu stellen, so wurde bereits in Punta del Este (1961) von ihrem unstillbaren Durst geflüstert und von der Gefahr, daß die riesigen Summen nicht in die richtigen Kanäle geleitet werden. Aber „die Stunde Südamerikas“ hatte geschlagen, der Weltkommunismus pochte um Einlaß. Die Politiker in Buenos Aires, Brasilia, Mexiko — überall witterten sie ihre einmalige Chance. Ihre durchaus nicht unterentwickelte Geschäftstüchtigkeit zielte vor allem darauf hin, die Gelder bedingungslos zu erhalten, jedenfalls nach den Rechtsgrundsätzen, wie sie in Paraguay und hier allgemein üblich sind.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!