Kein Zufall, dass die Aufregungen um die kleine Pfarre Stützenhofen sich einmal mehr am Thema Homosexualität emporranken. Die Lebenswirklichkeit der Menschen muss aber auch in die Kirche Einzug halten können.
Die kleinste Pfarre der Erzdiözese Wien kam auch über Ostern nicht aus den Schlagzeilen. Seitdem Kardinal Schönborn die persönliche Begegnung mit dem designierten Pfarrgemeinderat Florian Stangl und seinem Partner so beeindruckte, dass er dessen Wahl bestätigte, wogt die Auseinandersetzung weiter. In der Karwoche ließ Schönborn verlauten, an der bekannten kirchlichen Norm zu Homosexualität werde nicht gerüttelt; so tauchten nach der klaren Botschaft wieder die Wenns und Abers auf.
Und welcher Ungeist (auch wider den Kardinal) auf der konservativen Seite weht, kann jeder nachlesen, der die einschlägigen Webseiten besucht. Mittlerweile will (wieder unter rabiat-konservativem Beifall) der Pfarrer von Stützenhofen auf diese Pfarre resignieren, weil er nicht mit einem "in Sünde“ lebenden Pfarregemeinderat zusammenarbeiten kann und sich überdies vom Kardinal verschaukelt fühlt, der ihn, wie der Pfarrer sagt, zuerst zur Ablehnung der Wahl Stangls gedrängt habe.
Spagat zwischen Kirchengesetz und Leben
Das Thema Homosexualität ist hier nur der Anlass für ein altbekanntes "katholisches“ Problem, nämlich - abgesehen von innerkirchlichen Kommunkationspannen - den Spagat zwischen dem Kirchengesetz und dem Leben versuchen zu müssen. Viele haben es als befreiend empfunden, dass Kardinal Schönborn seine Entscheidung auf die Frage "Was hätte Jesus getan?“ zurückgeführt hat. Man möchte den Erzbischof und die Kirchenleitung genau bei diesem Wort nehmen und daran erinnern, dass die Antwort auf diese Frage die erste Richtschnur sein muss und das Kirchenrecht erst viel später ins Spiel kommt. Das gilt im Übrigen auch für den Umgang mit der Pfarrer-Initiative oder mit wiederverheirateten Geschiedenen, um weitere Beispiele zu nennen.
Dennoch ist es paradigmatisch, dass die Stützenhofener Aufregung sich einmal mehr am Thema Homosexualität emporrankt. Und man kann - und soll! - die Ereignisse unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass das Glas hier halb voll zu werden beginnt. Die Lebenswirklichkeit der Menschen muss einfach auch in die Kirche Einzug halten können. Vielleicht keimt hier doch etwas. Man darf ja daran erinnern, dass Österreichs Bischöfe noch unmittelbar vor Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes Anfang 2010 "die Einführung einer ‚Eingetragenen Partnerschaft‘ für homosexuelle Paare weiterhin weder für angebracht noch für notwendig“ gehalten haben. Insofern hofft man, dass der jesuanische Zugang, den Kardinal Schönborn vor Ostern so eindrücklich beschworen hat, sich in den Herzen und Hirnen der Kirchenoberen auch nachhaltig festsetzt.
Es ist vielleicht erst ein Aufbrücherl, das da sichtbar wird. "Wenn Menschen verschiedenen oder gleichen Geschlechts einen Vertrag unterzeichnen möchten, um ihrer Beziehung eine gewisse Stabilität zu geben, warum sollten wir unbedingt dagegen sein?“ Das fragt immerhin auch der Alterzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, in einem eben erschienenen Interviewbuch. Eine Stimme unter wenigen - aber immerhin.
Globale kulturelle Auseinandersetzung
Gleichzeitig ist jedoch daran zu erinnern, dass es um die Sache der Homosexuellen in globaler Perspektive längst nicht gut steht. Und dass es die Religionen sind, die hier - vornehm gesagt - bremsen. Im Mainstream-Islam hat da die Diskussion noch gar nicht begonnen, die anglikanische Weltgemeinschaft droht nicht zuletzt an der unterschiedlichen Bewertung der Homosexualität im Norden und im Süden zu zerbrechen. Auch die jüngsten legistischen Eskapaden gegen Homosexuelle in Russland werden wesentlich von der dortigen Orthodoxie befördert. Es handelt sich hier zweifelsohne um eine gravierende kulturelle Auseinandersetzung, bei der die Religionen an vorderster Front mitmischen.
Das klingt ernüchternd, ist aber kein Grund, in der kleinen katholischen Welt Österreichs nicht an Schritten zur Veränderung zu arbeiten. Vielleicht kann "Stützenhofen“ zu einer kleinen Chiffre dafür werden.
otto.friedriche@furche.at
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