Und wie geht’s der Kirche?

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Zusätzlich zu allen Turbulenzen auf welt- und ortskirchlicher Ebene sorgt jetzt noch eine Umfrage unter Österreichs Pfarrern für Aufregung. Auch hier steht einmal mehr das Thema katholische Sexualmoral im Zentrum des Interesses.

Üblicherweise werden in diesen Tagen innenpolitische Bilanzen gezogen, Noten an Minister und Abgeordnete verteilt und Perspektiven auf einen „heißen Herbst“ eröffnet. Die Kirche lebt und denkt in anderen zeitlichen Dimensionen, kann sich aber den schnellen Wechseln des Tagesgeschäfts mit all seinen Niederungen doch nie ganz entziehen, wie gerade die letzten Wochen und Monate deutlich gezeigt haben. So mag es angebracht sein, auch im Blick auf die Kirche innezuhalten und ein paar Linien nachzuzeichnen, die – weit über den Herbst hinaus – in die Zukunft reichen.

Keine Frage, die Gemengelage aus welt- und ortskirchlichen Verwerfungen ist verheerend – und die eben publizierte Pfarrerstudie (siehe Seite 4-5) rundet den Gesamteindruck nur ab. Was bleibt, ist das Bild einer zunehmenden Entfremdung, ja Kluft zwischen Kirchenleitung und Basis. Wobei dieser Befund dadurch an Schärfe gewinnt, dass das kritische Unbehagen nicht mehr nur von „Kirchenvolksbegehrern“ artikuliert wird, sondern offenkundig längst auch weite Teile des Klerus erfasst hat.

Wegbrechen der mittleren Führungsebene

Daran ist nicht zu rütteln, da gibt es nichts zu beschönigen – und das muss man einmal so stehen lassen, bevor man in die inhaltliche Auseinandersetzung einsteigen kann. Denn selbst wenn die Spitze eines Unternehmens von ihrer Strategie restlos überzeugt ist, hilft ihr das letztlich nichts, wenn ihr auf der mittleren Führungsebene die Mitarbeiter die Gefolgschaft verweigern. Und es nützt auch nichts, wenn manche ihren Kollegen ausrichten, sie hätten das Wesentliche des Konzerns nicht begriffen, wie das Abt Henckel-Donnersmarck in einem Presse-Interview unternommen hat („falsches Kirchenbild“). Dann muss man das „richtige“ eben besser erklären und sich überlegen, wie man die dritte oder vierte Ebene wieder ins Boot holen kann.

Dabei gilt es mitzubedenken, dass – wie es bei Menschen allgemein so ist – wohl auch bei den Pfarrern sich inhaltliche Gründe mit solchen der persönlichen Befindlichkeit vermengen. Die konkrete Lebens- und Arbeitssituation vieler Geistlicher dürfte das Substrat für ihren geäußerten Unmut bilden. Die Studie spricht hier jedenfalls eine ganz klare Sprache: Arbeitsüberlastung und die Sorge, zu Pastoralmanagern zu verkommen, treibt eine überwältigende Mehrheit um. Gleichzeitig fällt auf, dass bei aller Kritik die meisten ein durchaus traditionelles Amtsverständnis haben – also Liturgie feiern, Sakramente spenden und die Menschen begleiten wollen; und überdies sagen sogar 80 Prozent, sie selbst würden auch bei Fallen des Pflichtzölibats (vermutlich) weiter ehelos leben. Könnte ja sein, dass die Pfarrer doch das Wesentliche begriffen und nicht gar so ein „falsches Kirchenbild“ haben …

Als neuralgischer Punkt erweist sich freilich einmal mehr das Thema Sexualität, das meist unter dem diffusen Begriff „katholische Sexualmoral“ verhandelt wird. Vielleicht sollte man auch hier ein paar Schritte zurücktreten, um klarer zu sehen.

Zwischen Lebensferne und Prophetie

Zunächst sind wohl Religionen tendenziell in Gefahr, das Körperliche gegenüber dem Seelischen und Geistigen zu gering zu achten. Das mag für das Christentum, zumal in seiner katholischen Ausprägung, in besonderer Weise gelten. Zum anderen aber muss auch gesagt werden, dass die Menschen nicht deswegen ein Problem mit ihrer Sexualität haben, weil ihnen die Kirche so strenge, „lebensfremde“ Vorschriften macht; sondern dass sich die Kirche (und andere Glaubensgemeinschaften) mit Sexualität befasst, weil es eines der zentralen Lebensthemen – und also auch mit existenziellen Nöten und Abgründen – verbunden ist.

Eine bloß affirmative kirchliche Sexualmoral, die einfach den Common Sense gutheißt, tatsächlich Gelebtes und Praktiziertes schlicht sanktioniert, kann und wird es nicht geben. Umgekehrt darf es sich die Kirche – nicht nur bei diesem Thema – nicht so leicht machen, jeden Dissens zur Moderne als Ausweis ihrer „prophetischen Kraft“ zu rechtfertigen.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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