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Nestroy im Innenministerium
Hatte das von. niemandem erwartete Wahlergebnis in Wien für Franz Olah und seine DFP ergeben, daß die Bevölkerung nicht ganz so fest ihrer Justiz vertraut, scheint sich nach dem neuen „politischen“ Verfahren (und in Wahrheit war das Verfahren gegen Alois Euler ein solches) in Spionagesachen eine weitere Vertrauenskrise abzuzeichnen. Man glaubt einfach nicht mehr, daß die Gerichte in Österreich das Allerletzte tun, um die Wahrheit ans Licht zu bringen; oder eben kapitulieren, wenn Beweise nicht überzeugend vorzulegen sind. Wenn der Schöffensenat im Olah-Prozeß feststellte, daß man den Zeugenaussagen (unter ihnen aus dem Mund von Gewerkschaftspräsidenten und hohen Wirtschaftsfunktionären) nicht restlos glauben kann, so wundert man sich nun über die Leichtfertigkeit, mit der ein anderer Schöffensenat den merkwürdigsten Kronzeugen gelten ließ, den es vor einem Gericht überhaupt gibt: einen ausländischen Nachrichtendienstbeamten (einen hohen, der mit einem österreichischen „gut befreundet ist“), der seinem österreichischen Gesprächspartner Auszüge aus einem geheimen Akt vorgelesen habe. Es wird erst in der Berufungsverhandlung geklärt werden können, ob ausländische Nachrichtendienste mehr Glaubwürdigkeit besitzen als inländische Zeugen, die vor Gericht erscheinen; und ob es genügt, daß ein inländischer Geheimdienstmann (auch wenn er ein hoher Beamter ist) einen nicht namentlich bezeichneten ausländischen Geheimdienstmann als verläßlich bezeichnet. • Wenn jemand zu drei Jahren Kerker verurteilt wird und die Grundlage dieser Verurteilung unter Aus-
schluß der Öffentlichkeit dargelegt wird, • wenn Journalisten oder Österreicher, die im Widerstand gegen Hitler arbeiteten, grundsätzlich „konspirative“ Neigungen besitzen (so der Staatsanwalt),
• wenn in quasi-politischen Verfahren Kabinetts Justiz und Geheimverfahren üblich werden —
dann braucht man sich nicht mehr zu wundern, wenn die Promulgation der Rechtsstaatlichkeit von der Bevölkerung nicht geglaubt wird und das Vertrauen in Justiz und Gericht schwindet.
Aber was den Prozeß gegen Alois Euler über das Exemplarische hinaushebt, ist das Schlaglicht, das auf die Sicherheitsbedingungen in unserem Staat geworfen wurden. Was im Innenministerium laufend vorgeht und was nunmehr aktenkundig ist, ähnelt ja im Grund durchaus den Zuständen in anderen Ministerien. Nestroy hätte aus den Zeugenaussagen von Sekretärinnen, Bürodienern und dem Innenminister selbst eine Posse geformt. Aber das Erstaunliche ist, daß man sich allerorts in politischen Führungskreisen nichts dabei denkt, obwohl diese Dinge allgemein intern seit langem (schon dn der Koalition) mit zum Führungsstil der Politiker gehört haben.
Bleibt die konkrete Hoffnung, daß der seinerzeit eingesetzte Parlamentsausschuß einen modifizierten Auftrag erhält: eine Erforschung, Beschreibung und einen guten Rat an die Regierung, wie die Sicherheit in diesem Land als Rechtsgut geschützt werden kann.
Die Sicherheit geht uns alle an. Denn sie ist unsere Sicherheit.
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