Pionier des modernen Journalismus

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Gunther Martin stellt in loser Folge Personen vor, deren Namen als Begriff fast alle, deren Biographie aber nur wenige kennen. Der Mann, der Pulitzer hieß - sein Leitspruch: "Wir müssen besser und früher als andere informiert sein."

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Gunther Martin stellt in loser Folge Personen vor, deren Namen als Begriff fast alle, deren Biographie aber nur wenige kennen. Der Mann, der Pulitzer hieß - sein Leitspruch: "Wir müssen besser und früher als andere informiert sein."

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Weil sie ihn in Budapest bei den Husaren nicht nehmen, zieht der junge Jozsi Pulitzer, wie die meisten ungarischen Juden doppelsprachig aufgewachsen, bald weiter. Bis nach Amerika, wo sich der Einwanderer während des Sezessionskrieges zur Unions-Kavallerie anwerben läßt. 1865 geht er mit Scharen von Yankees nach St. Louis, dort sind die Sieger als Eindringlinge verhaßt, aber Pulitzer sieht eine Chance bei der lokalen deutschen Zeitung "Westliche Post". Er beginnt als Reporter, wenige Jahre später ist er bereits Teilhaber des Blattes. Sehr rasch amerikanisiert er sich und poliert an seinem anfangs miserablen Englisch, um Druckreifes liefern zu können.

Darauf kommt's ihm an, denn er wird zwar, nebenher, Jurist, will aber als publizistischer Anwalt auftreten: für Sauberkeit im politischen Leben der USA. Dazu braucht er eine entsprechende Startrampe. Die Zeitung "Dispatch" ist fast bankrott. Prompt kauft er sie, zwecks Fusion mit einer zweiten Erwerbung, der "Post". All das spielt sich noch in St. Louis ab, doch der Name des Aufsteigers gewinnt rasch überregionale Bedeutung.

Dieser Joseph Pulitzer schafft sich eine Wunderwaffe für seine Husarenattacken, so begründet er das System des amerikanischen Enthüllungsjournalismus. Die Sensationen, die er bewirkt, sind ihm nur Mittel zum Zweck, ihm geht es um viel mehr als um den momentanen Effekt der Schlagzeile. Mit zündender Eloquenz bekämpft er Schlendrian, Korruption, Intrigen und Machtmißbrauch überall, wo er solche Zustände aufdeckt.

1882 übersiedelt er nach New York und kauft die Zeitung "World". Mit ihr macht er Pressegeschichte. Wieder ist er in Personalunion Besitzer, Verleger, Herausgeber und de facto Chefredakteur - der immer auf Hochtouren laufende Motor des gesamten Unternehmens, nach dem Prinzip, das er für alle seine Mitarbeiter zum obersten Gebot erhebt: "Wir müssen besser und früher als andere informiert sein." Pulitzers Postulat "gegen allen Schwindel aufzutreten, für Grundsätze und Ideen einzustehen, aber nie für Vorurteile und Interessen einzelner Gruppen" bewertet ein viel späterer Beobachter, der Kulturphilosoph Robert Jungk, als eine der Voraussetzungen eines gerechten, integren Gesellschaftssystems.

Mit einundvierzig Jahren, anno 1888, konstatiert der stets so Aktive plötzlich eine Schwächung seiner Sehkraft. Rapide verschlimmern sich die Beschwerden, er sieht alles nur mehr wie in tiefer Dämmerung und erblindet schließlich. Dennoch gibt er nicht auf. Eine Gruppe von Sekretären und Helfern ersetzt ihm, so weit er es für seine gewohnte Tätigkeit brauchen würde, das zerstörte Sinnesorgan. Er läßt sich vorlesen, Bericht erstatten, und diktiert, was er persönlich der amerikanischen Öffentlichkeit mitteilen will.

Gespannt und voll Besorgnis verfolgt der früh Alternde die Entwicklung des "yellow journalism" und den Aufstieg eines sehr dynamischen jüngeren Konkurrenten namens William Randolph Hearst zum Beherrscher eines Presseimperiums.

Immer wieder auf seiner luxuriösen Hochseejacht unterwegs, stirbt Pulitzer am 29. Oktober 1911 in Charleston, South Carolina. Testamentarisch vermacht er der Columbia-Universität zwei Millionen Dollar, mit der Bestimmung, dieses Legat zur Gründung einer Schule für Journalismus zu verwenden sowie in seinem Sinne Preise "für amerikanische Literatur und die Förderung des Bildungswesens" zu stiften. Die ersten dieser Pulitzerpreise, für Geschichtsschreibung und Biographie, werden 1917 verliehen (einer der Ausgezeichneten dieser Sparte ist 1932 General Pershing, amerikanischer Oberkommandierender in Europa während des I. Weltkriegs, Autor militärhistorischer Memoiren), ein Jahr später folgen die Kategorien Roman und Drama, 1922 Lyrik und schließlich 1943 Musik.

Bei weitem nicht alle Werke, die das jeweilige Kuratorium für würdig befand, erwiesen sich als bleibende Kulturschöpfungen. Wie nicht anders denkbar, spiegelt das besondere Interesse häufig eine gerade aktuelle Situation. Deshalb wäre die Nennung der ersten Preisträger bloß lexikalisches Registrieren. Aus der frühen Phase haben nur die Namen Sinclair Lewis, Louis Bromfield, Edith Wharton, Thornton Wilder und Eugene O'Neill ihren Klang behalten.

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