Solo für eine Souffleuse - der Rest ist Schweigen

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Kirsten Dene brilliert in Christoph Ransmayrs Bühnenerstling - und wahrscheinlich Letztling - "Die Unsichtbare".

Davon kann jeder Theaterautor normalerweise nur träumen: Sein erstes Stück wird gleich bei den Salzburger Festspielen aufgeführt, mit Claus Peymann als Regisseur, Karl-Ernst Herrmann als Bühnenbildner und einer der größten deutschsprachigen Schauspielerinnen in der Hauptrolle. Nun, Christoph Ransmayr war schon vorher nicht ganz unbekannt, daher ist ihm wohl auch mit seinem Debüt als Dramatiker, "Die Unsichtbare", das am Salzburger Landestheater gegeben wird, diese Gnade zuteil geworden. Ein etwas hoher Aufwand, um nach zwei Stunden teilweise sogar amüsanten Textes zu einer Liebeserklärung an lebendiges Theater zu kommen: "Was unversehrt - und ungelesen - in Archiven bloß bewahrt wird, ist so tot wie Asche." Leider nährt Ransmayr mit seinem Stück jenes Fehlurteil, das er selbst einer seiner Figuren, dem Theaterdirektor Rose (Gerd Kunath), in den Mund legt: "Alles was auf einer Bühne und von Schauspielern überhaupt zu sagen war, wurde schon auf der Orchestra des antiken Theaters gesagt."

"Die Unsichtbare" ist ein Beinahe-Solo für Kirsten Dene, die mit großer Liebe und Akkuratesse die Souffleuse Frau Stern verkörpert. "Kostümierten Abklatsch der Menschheit" nennt sie die "Plüschfalle" Theater, für die sie nur Verachtung übrig hat. Frau Stern schwärmt fürs Kino, wo angeblich die wahren Stars zu Hause sind. Dabei erweist sich die Theaterhasserin als Theatermensch durch und durch: Die Welt in ihrem Kopf, auf die sie das Publikum blicken lässt, ist bevölkert von Figuren wie aus einer Schmieren-Tragikomödie, sie ist vollgestellt mit schäbigen Kulissen, folgt einer Dramaturgie, die sie immer wider an den Strand führt - ganz so wie in dem Theater, in dem sie arbeitet und wo ausschließlich Stücke gespielt werden, die mit dem Meer zu tun haben.

Für gewöhnlich unsichtbar fürs Publikum, aber unverzichtbare Stütze gedächtnisschwacher Schauspieler, ist sie am Ende einer katastrophal schlechten Aufführung eines katastrophal schlechten Stücks wegen eines Fehlers des Bühnenmeisters aus ihrem Versteck auf die Bühne gepurzelt. Nach der Vorstellung sucht sie nun ihr dabei verloren gegangenes Textbuch. Sie, die sonst nur flüstert, beginnt zu sprechen. Sie zieht über Schauspieler und Direktor her - die gelungensten Passagen des Werks. Sie erinnert sich auch an die Liebesaffäre mit dem Beleuchter (Hans Kremer), der sie zum Theater brachte. Der Strand des Pauschaltouristenparadieses, wo sie ihren Karl kennenlernte, ersteht ebenso wie der am Meeresufer gelegene Schauplatz ihres Lieblingsfilms "Die Vögel von Trachis" - nicht umsonst trägt "Die Unsichtbare den Untertitel "Tirade an drei Stränden". Und dann kippt das Stück kurzzeitig in eine griechische Tragödie mit maskiertem Chor. Hat Ransmayr so wenig Vertrauen in dramatische Formen der Gegenwart dass er auf sein Lieblingsthema Antike rekurrieren muss?

Am Ende werden die Zuschauer und Frau Stern vom Feuerwehrmann Florian - kurz, aber prägnant: Otto Sander - erlöst. In antiker Rüstung führt er die Souffleuse in die Kino-Mitternachtsvorstellung. Auch er ein Theatermensch: Er nennt sich stolz Carl mit C, ebenso wie es der Verflossene tat - der freilich auch nur ein einfacher Karl war. Und Frau Stern lässt ihn gewähren, zuletzt doch versöhnt mit ihrer ungeliebten Tätigkeit: "Lebendig bleibt allein, was weitererzählt, weitergeflüstert wird. Der Rest ist Schweigen."

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