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Aufbau einer „neuen Behörde“

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So müssen die wissenschaftlichen Beamten des Österreichischen Staatsarchivs (Dienstposten A, „höherer Archivdienst“) als Befähigung zur Aufnahme in das Staatsarchiv den Nachweis über ein abgeschlossenes Universitätsstudium mit dem Doktorgrad in Philosophie oder in Jus, bei vorwiegend historischen Studien, und die Absolvierung eines sechs-semestrdgen (dreijährigen) Studiums am Institut für österreichische Geschichtsforschung an der Universität in Wien mit nachfolgender strenger kommissioneller Staatsprüfung erbringen. Dabei erfolgt die Ausbildung dieser wissenschaftlichen Beamten vielfach auf Kosten des Staates mit Stipendien. Sie sollen dann in der Praxis des Archivs dessen Aufbau kennenlernen, für die Aufrechterhaltung der Ordnung der Bestände sorgen, diese erschließen und Gäste des Archivs in ihren Arbeiten beraten, sie sollen sich ständig in Fragen der Historiogra-Dhie weiterbilden und auch mehrere Fremdsprachen beherrschen, um ihren wissenschaftlichen Aufgaben im Archiv gerecht bleiben zu können.

Im Österreichischen Kriegsarchiv aber scheint diese dienstrechtliche Vorschrift nicht bindend zu sein. Hier müssen die wissenschaftlichen Beamten ausschließlich beim Aufbau einer wahrscheinlich „neuen Behörde“ mithelfen, indem sie die Wehrmachtsdokumente zu ordnen und zu registrieren haben, eine Arbeit, wofür es in jedem anderen Archiv, wahrscheinlich aber wohl auch im Kriegsarchiv selbst, genug zuständige Beamte gibt; hier müssen sie täglich Leute empfangen, die um eine Dienstzeitbestätigung einkom-men, ihnen beim Ausfüllen ihrer dementsprechenden Antragsformulare helfen, sie aufmerksam machen, welche Dokumente sie noch selbst beizubrineen haben, und dann Akten riedigen, aus denen die Dienstzed-sn der Antragsteller hervorgehen >llen, was in der Form geschieht, aß in bestimmte Formulare nur iaten einzutragen sind. Reichen da-ei die im Archiv vorhandenen Un-jrlagen zum Gewinnen der Daten Sinrückung, Ununterbrochenheit er Zugehörigkeit zur Wehrmacht nd Entlassung von derselben) nicht us, so werden von seifen des LTchivs andere Dienststellen des In-indes (z. B. Meldeämter, das Lan-esinvalidenamt, Krankenkassen sw.) oder des Auslandes (Korneli-lünster, die Dienststelle, wo in eutschland zentral dieselben Arbei-;n gemacht werden wie in Wien om Kriegsarchiv) für die Parteien ngeschrieben, um solche Unterlagen u erlangen. Dazu kommen dann och die Vorsprachen der Einreichen-en, die ihre Anträge urgieren, wenn ie nicht bereits nach kurzer Zeit ire Dienstzeitbestätigung erhalten, uuf diese Weise werden die wissen-chaftlichen Beamten daran gehinert, ihre eigentlichen Archivarbeisn, das Anfertigen neuer Archdv-lehelfe, das Ordnen großer Aktenbe-tände, aber auch das Beraten von “orschern, die neu ins Archiv kommen und eine historische Arbeit nachen möchten, zu erledigen, weil, aut Weisungen der Leitung, den Menslzeitansuchenden immer der Vorrang gegeben werden muß. Der jeiter führt für jeden Referenten inen eigenen Zahlenindex, in dem Lie Zahlen der ihm zugewiesenen Vkten eingetragen sind, deren er-edigten Zahlen dann für ihn für die Leistung des Betreffenden maßge->end sind. Auch das Erledigen der ichriftlich an das Archiv gerichteten vissenschaftlichen Anfragen wird vegen des Vorranges der Dienstzeit->estätigungen in ihrer Erledigung )ehindert. Es zählt nur, wie viele \ktenzahlen mit Dienstzeitbestäti-en im Monat erledigt wurden. Wer-ien von den wissenschaftlichen Be-imten nun doch auch größere Ar->eiten in den ihnen zugeteilten Beständen des Archivs gemacht, sc nüssen diese verheimlicht werden Oabei ist es jedem Kenner des ftriegsarchivs bekannt, daß noch riete .Bestände ungeordnet sind......

Im Interesse des kulturellen Ansehens Österreichs in der Welt ist es hier schleunigst am Platze, von der vorgesetzten Dienstbehörden de; Bundeskanzleramtes her zu untersuchen, ob die Generaldirektion de Österreichischen Staatsarchivs zusammen mit der Leitung des öster reichischen Kriegsarchivs nicht ihr< Kompetenzen weitaus überschritte! hat, überschritten mit dem Sammeli von Personaldokumenten der ehe maligen Deutschen Wehrmacht vor anderen Behörden — fanden hierbe Absprachen mit dem Innenmini sterium statt? —, überschritten mi dem Mißbrauch hochqualifizierte wissenschaftlicher Beamter zi Handlangerdiensten und überschrit ten auch dadurch, daß das Aicha' für das Ausstellen von amtlich gül tigen Bestätigungen seinen ganze] Kanzleiapparat zur Verfügung stelll auch um für einzelne Parteien au Kosten des Staates Erkundigunge: in ihrer eigenen Sache bei inländi sehen Behörden einzuziehen. Warur weist man diese Arbeiten nicht jene; Dienststellen des Innenministerium zu, die sich ebenfalls mit dem Aus stellen von Dienstzeitbestätigunge befassen, insbesondere der Abteilun 9/d, welche auch die Perscnalevi denzen von Angehörigen des erste: österreichischen Bundesheeres ver wahrt? Warum nimmt man sie nicht etwa Deutschland zum Vorbik wo diese Vorgänge in einer eigene Dienststelle in Kornelimünster be Aachen oder bei ähnlichen Dienst stellen in Berlin erledigt werder ohne daß dort auch nur ein Archi vom Range des österreichische Kriegsarchives damit belastet wird Muß es denn so weit kommen, da eines der historisch bedeutendste Archive Europas und in einem ge wissen Sinne wohl auch der gesam ten Kulturwelt hier in Wien syste matisch zugrunde gerichtet wird, wc bei der Inhalt des Archivs nicht ein mal so sehr von Belang sein maj als vielmehr das Faktum, daß öster reich wieder einmal ärmer werde und wieder einmal mehr Ansehe verlieren wird auf jenem Sektor, de noch immer unsere beste Ausland Valuta war, der Kultur?!

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