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Aus dem Osten

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JUGEND IM BANNE DER ROTEN MORAL. Von Emil Wiederkehr. Verlag des Hilfskomitees für die Opfer des Kommunismus, Bern. 288 Seiten.

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JUGEND IM BANNE DER ROTEN MORAL. Von Emil Wiederkehr. Verlag des Hilfskomitees für die Opfer des Kommunismus, Bern. 288 Seiten.

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Wie sich die Bilder gleichen. Auf dem Titelbild marschiert eine Gruppe Kinder in Uniform. Erst bei genauem Hinsehen entpuppen sie sich als Jungkommunisten. Man hätte geschworen, es seien Hitler- jungen. Der Verfasser hatte über den ungarischen Aufstand ein Buch, geschrieben. Dies ist sein zweites. Er gibt uns eine tiefschürfende Analyse des auf dem atheistischen Materialismus aufgebauten kommunistischen Erziehungssystems, das sich von der bürgerlichen Erziehung nicht nur durch ihre Ziele, sondern auch durch ihr ganzes Wesen unterscheidet. Sie ist ein Bestandteil des Kampfes für den Kommunismus. „Unsere Sittlichkeit“, sagte Lenin schon 1920, „ist völlig den Interessen des proletarischen Klassenkampfes untergeordnet.“ Im totalitären System hat die Jugenderziehung eine doppelte Aufgabe, einmal für die Wirtschaft und die Wissenschaft die nötigen Kader von Spezialisten zu formen und zum anderen, sattelfeste Streiter für das Regime heranzuziehen.

Besonders eingehend wird die Schul- und Wissenschaftspolitik der Oststaaten, vor allem der deutschen Sowjetzone und Ungarns untersucht. Als tragisch erweist sich das Schicksal Ostdeutschlands, dessen Einwohner nun ja Seit 1933 in Unfreiheit leben. Der Kampf gegen die. Kirchen und die Religion wird dort besonders hart geführt.' Nur ein Beispiel sei aus den vielen angeführt. Ein evangelischer Religionslehrer berichtet (S. 134): „…Wir wurden von den Russen im Februar 1950 an die sowjetdeutschen Behörden zur weiteren Strafverbüßung übergeben. Zuerst waren wir froh. Aber wie wurden wir alle enttäuscht: es wurde viel schlimmer als unter den Russen . . . Der Gottesdienst wurde immer leerer und leerer — und die Polizisten taten alles, um uns die Unwürdigkeit dieses Gottesdienstes spüren zu lassen. Die russischen Wachmannschaften hatten während wir beteten, stets die Mützen abgenommen — die Deutschen taten es nicht. Sie schwatzten, ja sie rauchten während der Predigt. Und einer stellte sich mit aufgekrempelten Hemdsärmeln neben den Altar, kaute und spuckte Sonnenblumenkerne in den Raum, während der Geistliche das Abendmahl ausgab …

DAS RUSSISCHE PERPETUUM MOBILE. Von Dieter Friede. Marienburg-Verlag, Würzburg. 244 Seiten. Preis 12.SO DM.

Der in der deutschen Ostzone widerrechtlich inhaftiert gewesene, dann befreite Journalist Dieter Friede hat dieses Buch geschrieben, „um die kaiserlich-kommunistische Kontinuität der russischen Expansion“ aufzuzeigen, zugleich um dem Westen mit seiner „Strohhalmmentalität“ den Spiegel vorzuhalten. Daß das kommunistische Rußland mit anderen Vorzeichen das überdimensioniert fortgesetzt habe, was im zaristischen Rußland grundgelegt worden sei, beweist er an Hand umfangreicher Zitate und Auszüge. Der Exegese eines Halbjahrtausends reihen sich die Weissagungen für die Zukunft an. Und hier stockt der Historiker (darob ist übrigens vor Monaten bereits eine heftige Diskussion entbrannt). Es genügt nämlich nicht, an Hand vieler Einzeltatsachen zum Schluß zu kommen, daß Expansion fortzeugend Expansion nur gebäre. Mag es auch stimmen, daß Bolschewismus und Zarismus einander gleichen wie ein faules Basiliskenei dem anderen, so bestehen doch zwischen ihnen wesensmäßige Differenzen, die zu überkleistern einfach unmöglich ist.

Historische Parallelen sind bekanntlich nur begrenzt möglich. Es fiele ebenso wenig schwer nachzuweisen, daß andere Nationen gleichfalls ununterbrochen Imperialismus betrieben hatten. Dazu brauchte man nur das zweibändige Werk Friedjungs zur Hand nehmen.

Das Kapitel „Bismarck — Mythos und Wahrheit“ ist doch wohl zu dürftig, als daß es der konfliktreichen Rußlandpolitik des Kanzlers, bei der Oesterreich-Ungarns Balkaninteressen einfach geopfert worden sind, gerecht werden könnte. Was bedeutet es, wenn Friede da die lapidare Notiz von Bismarcks Leibarzt, Schwenninger, heranzieht: „Rußland hat dem Fürsten bis zum Ende seiner Amtstätigkeit viele schlaflose Nächte bereitet"? Friede mußte es nicht wissen, aber wohl der Arzt, daß die schlaflosen Nächte vornehmlich auf des Fürsten Gürtelrose zurückzuführen waren, die ihm schon beim Berliner Kongreß schwer zu schaffen gemacht hatte.

Der interessanteste Teil des Buches ist der, wo Fiiede aus seinen eigenen leidvollen Erfahrungen schöpft: Straflager, die versklavten Nationen, die Kirchen- und Religionsverfolgung. Hier breitet er eine Fülle von Tatsachen aus, die in ihrer erschreckenden Nüchternheit einen tieferen Eindruck erwecken als es sonst geschwätzige Propaganda in diesem oder jenem Sinn vermag. Als politische Streitschrift hat dieses Buch seine Aufgabe voll und ganz erfüllt, es verdient weiteste Verbreitung.

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