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Ave sanctum oleum

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In den Kathedralkirchen des katholischen Erdkreises wird am Gründonnerstag der Liturgie dieses Tages eine Zeremonie hinzugefügt, die zu den eindrucksvollsten im ganzen Kirchenjahr gehört: Der zelebrierende Bischof begibt sich unter Assistenz von 12 Priestern, 7 Diakonen und 7 Subdiakonen vor Abschluß des Kanons der Messe an einen, am Ende des Presbyteriums aufgestellten Tisch, um hier das Oel zur Salbung der Kranken zu weihen. Nach der Kommunion folgt noch die überaus feierliche Weihe des Chrismas wie des Katechumenenöles.

Bereits im Sacramentarium Gelasianum aus dem 6. Jahrhundert sind für den Gründonnerstag neben der Messe zur Wiederaufnahme der Büßer wie zum Gedächtnis der Einsetzung der heiligen Eucharistie ein Gottesdienst und eine eigene Oelweihe vorgeschrieben. Bald wurden diese drei Messen in eine einzige zusammengezogen, während der dann die Oelweihe stattfand. Durch das Dekret der Ritenkongregation vom 16. November 195 5, das über die Neuordnung der Karwochenliturgie handelt, wurde für die Bischofskirchen am Vormittag des Gründonnerstag die , Missa Chrismatis" ( = Messe zur Oelweihe) vorgeschrieben, die in ihren Gesängen ganz auf die Bedeutung des Oeles im Kultraum Rücksicht nimmt. Während dieser Messe werden die heiligen Oele geweiht, während das eigentliche Abendmahlsamt erst gegen Abend gefeiert wird. Durch die Wiedereinführung dieser eigenen Meßfeier soll der ganze Vormittag des Gründonnerstages der Liturgie der Oelweihe Vorbehalten sein, woraus auf die Bedeutung dieser geweihten Materien im religiösen Leben geschlossen werden kann.

Im .Alten Bund „werden .Könige, Propheten unij, Priester gesalt . o , heißt . es5 im 2.fIJucl e des Moses, 30/33: „ ,.. Aaron und seine Söhne salbe und heilige sie, auf daß sie als Priester Mir dienen. Sage auch zu den Söhnen Israels: Dies Salböl soll Mir geheiligt sein in euren Geschlechtern, keines Menschen Fleisch soll damit gesalbt werden, und nach seiner Mischung sollt ihr kein anderes machen, denn es ist geheiligt und soll euch heilig sein. Wer immer ein solches mischt und einem Fremden gibt, der soll ausgerottet sein aus seinem Volke ...“ Weiter befiehlt Gott dem Moses, das Bundeszelt, die Bundeslade, den‘Tisch mit seinen Gefäßen, den Leuchter mit Zubehör, den Räucheraltar wie den Brandopferaltar mit dem „heiligen Salböl“ zu salben. (Ex 30, 26/29.) Immer wieder taucht als Bezeichnung für den erwarteten Messias „der Gesalbte des Herrn“ (Ps 2, 2) auf. Die Salbung mit dem Oel bedeutet also eine ganz besondere Weihe für Gott und seinen heiligen Dienst.

Im Neuen Bund dient die Salbung mit Oel zum Erweis der Gastfreundschaft und Ehrerbietung (Lc 7, 36—38), zur körperlichen Gesundung (Lc 10, 34, Mc 6, 12), wie als Symbol von besonderen Gnadengaben, die Gott den Christen bzw. Seinem göttlichen Sohn geschenkt hat. Der Name „Christus“, der von der Urgemeinde als Hauptprädikat dem Gottessohn gegeben wurde, bedeutet schlechthin „der Gesalbte“. So hat auch Christus selbst bei Seiner Predigt in der Synagoge zu Nazareth die Stelle aus Isaias 61,

1, 2 auf sich bezogen, wo es heißt: „ ... Der Geist des Herrn ruht auf Mir, weil er Mich gesalbt hat...“ Im 1. Brief des hl. Johannes, 2,,20/27, stellt der Apostel den Gläubigen diese innige Verbindung von Salbung und Geistmitteilung vor Augen, wenn er schreibt: Ihr aber seid gesalbt von dem Heiligen ( = Christus)"; gewiß ist hier nicht an eine tatsächliche Salbung zu denken, aber es ist bezeichnend, daß der Apostel zur Veranschaulichung der Gnadenmitteilung, des göttlichen Lebens schlechthin, das Bild der Salbung gebraucht.

So ist es nun leicht erklärbar, warum im Kult der Kirche bereits in den ersten Jahrhunderten bei Handlungen, die zum natürlichen wie übernatürlichen Wohl der Menschen dienten, Oel als Symbol dieser Mitteilung verwendet wurde.

Zu Beginn des 3. Jahrhunderts enthält die Traditio aportolica Hippolyts die Weihegebete für das Krankenöl (oelum infirmorum), für das Katechumenenöl — auch „Oel der Beschwö rung“ genannt, wegen der Verwendung bei der hl. Taufe — wie für das Chrisma-„Oel der Danksagung“, da es innerhalb eines großen Dankgebetes geweiht wird.

Im 4. Jahrhundert erklärt der hl. Cyrill von Jerusalem seinen Täuflingen die Bedeutung des Salböles ( = Chrismas), mit dem sie gefirmt werden: „ ... Doch darfst du ja nicht meinen, jene Salbe sei nur Salbe. Denn gleich wie das Brot der Eucharistie nach der Anrufung- des Hl. Geistes nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern der Leib Christi, so ist diese heilige Salbe nach der Anrufung nicht mehr einfache Salbe und nicht, wie man sagen möchte, gemein, vielmehr ist sie Gnade Christi und wirkt durch die Gegenwart von Christi Gottheit den Hl. Geist. Mit der Salbe werden dir die Stirne und die übrigen Sinne gesalbt in sinnbildlicher

Weise. Mit irdischer Salbe wird der Körper gesalbt, mit dem heiligen, lebensspendenden Geiste wird die Seele geheiligt.“ (3. myst. Kat.)

Innerhalb der griechischen Liturgien dieser Zeit ist das Euchologium des Bischofs Serapion von Thmuis, eines Freundes des hl. Athanasius, von Bedeutung, das ein Weihegebet über das Chrisma wie das Krankenöl bringt. Das Weihegebet über das Chrisma, mit dem der Getaufte gefirmt wird, lautet: „O Gott der Gewalten, Helfer jeder Seele, die sich zu Dir wendet und unter die starke Hand Deines Eingeborenen kommt, wir rufen Dich an, daß Du diesem Chrisma durch die göttliche und unsichtbare Kraft unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus göttliche und himmlische Wirksamkeit einsenkest, auf daß die Getauften und Gesalbten in Ihm das Abbild des Zeichens des heilsbringenden Kreuzes des Eingeborenen erlangen, durch welches der Satan und jede feindliche Macht beschämt und im Triumph aufgeführt wurde. Wie Wiedergeborene und Erneuerte durch das Bad der Wiedergeburt, sollen auch diese Teilnehmer der Gnadengabe des Hl. Geistes werden, und durch dieses Siegel gekräftigt, fest und unbeweglich, unversehrt und ungeplündert, unverletzt und sicher bleiben, im Glauben und in der Erkenntnis der Wahrheit bis zu ihrem Ende wandeln..." Das Krankenöl soll nach diesem griechischen Weihegebet zur „Abwehr jeder Krankheit und jeder Entkräftung, zum Gegenmittel gegen jeden Dämon, zur Austreibung jeden unreinen Geistes, zur Ausscheidung jedes schlechten Geistes, zur Austilgung von jedem Fieber und von Kälte und von jedem Uebelbefinden, zur guten Gnade und zur Nachlassung der Sünden, zum Heilmittel des Lebens und der Rettung, zur Unversehrtheit von Seele, Leib und Geist, zur vollkommenen Gesundheit“ dienen.

Die Festsetzung des Gründonnerstags als Weihetag der drei heiligen Oele dürfte in das

4. Jahrhundert fallen, da damals Ostern als Tauftag schlechthin erklärt wurde und man für die Taufe Chrisma und Katechumenenöl brauchte. Auch der Osten hat sich in diesem Punkte nach der lateinischen Kirche gerichtet. Was die Gestaltung der Weihezeremonien anlangt, so ist die des Chrismas ziemlich verwickelt und im Laufe der Jahrhunderte durch die byzantinische und gallikanische Liturgie beeinflußt: Während einer feierlichen Prozession werden die Gefäße mit Olivenöl und Balsam vor den Bischof gebracht, der den Balsam weiht und dann mit Olivenöl mischt. Im Ritus der Ostkirche werden noch verschiedene Pflanzensäfte beigemischt, um auf diese Weise sinnbildlich den Reichtum der göttlichen Gnade anzudeuten. Dann hauchen der Bischof und die zwölf anwesenden Priester dreimal in Kreuzesform den Rand des Chrismasgefäßes an, worauf die eigentliche Weihe in Form einer Präfation folgt. Schließlich gießt der Pontifex das mit Balsam vermischte Oel in das Chrismasgefäß und grüßt das Chrisma mit dem dreimaligen Ruf „Ave sanctum Chrisma": dasselbe tun die Priester, wobei sie das Knie beugen. Der Ritus der Kniebeuge aus Ehrfurcht vor dem Chrisma findet sich jedoch erst im Pontifikale Piccolominis aus dem Jahre 1485.

Der Weihende muß im lateinischen Ritus immer ein Bischof sein — eine Ausnahme finden wir unter Papst Eugen IV., der im Jahre 1444 einem Vikar aus dem Franziskanerorden in Bosnien die Gewalt verlieh, Chrisma zu weihen; dasselbe gestattete Benedikt XV. im Jahre 1916 einigen 'Priestern während der Kriegszeit.

In der Ostkirche ist nur die Weihe des Chrismas dem Bischof Vorbehalten, allerdings haben in diesem Punkte die Patriarchen von Konstantinopel ein Zeichen ihrer Oberherrschaft über die anderen Patriarchen gesehen und geglaubt, nur sie könnten das hl. Chrisma

— bei den Griechen Myron genannt — weihen. Im 13. Jahrhundert erklärten die Bulgaren, ihr Patriarch weihe das Chrisma, im 17. Jahrhundert nahmen in Rußland die Patriarchen von Moskau und Kiew diese Weihe vor, während im 19. Jahrhundert der rumänische Patriarch damit begann.

Wozu wurden und werden bis heute nun diät drei Oele im einzelnen verwendet?

Das Krankenöl wird, nach Jak. 5,14/15, zul Salbung von Schwerkranken verwendet, damit diese eine Stärkung für die Seele, eine Nachlassung ihrer Sünden wie eine Besserung ihrer Gesundheit erlangen. Auch bei der Glockenweihe findet es Verwendung.

Das Katechumenenöl — auch Oleum salutis genannt — dient zur Salbung des Täuflings, gleichsam als Abwehrmittel gegen den Satan, desgleichen wird es bei der Priesterweihe und Altarkonsekration verwendet.

Das Chrisma wird woht am häufigsten gebraucht.

Zunächst wird der Täufling nach bereits empfangener Taufe am Scheitel mit diesem heiligen Oel gesalbt; nachdem der Teufel von ihm gewichen ist, gehört er nun ganz Christus, dem „Gesalbten“. Ueberdies erinnert dies an die in früheren Jahrhunderten übliche Gewohnheit, den Täufling sofort nach der Taufe zu firmen. Bei der Firmung zeichnet der Bischof dem Firmling unter Handauflegung mit Chrisma ein Kreuz auf die Stirne; diese Salbung isÄ zur Gültigkeit dieses Sakraments erforderlich. Bei den Griechen werden mit dieser „höchst göttlich wirksamen Salbe“ Stirne, Augen, Nase, Ohren, Mund, Brust, Hände und Füße gesalbt. Besonders reich wird Chrisma bei der Bischofsweihe verwendet: Bei der Salbung des Hauptes erinnert man sich an die Lehr- und Leitungsgewalt des Bischofs, bei jener der Hände an seine Weihegestalt. Herrlich sind die Worte in der Weihepräfation gewählt: „Dies Oel hier, Herr, ergieße sich auf sein Haupt in überreichem Maße. Es fließe hinab auf die unteren Teile des Antlitzes, und verbreite sich auf die äußersten Glieder des ganzen Körpers./damit Deines Geistes’ Ksaft sein Inneres durchdringe und ; ihn von außen allseitig beschirme.“

Auch bei der Königskrönung wird eine Salbung vorgenommen. In Frankreich und England hatte nach der damaligen Meinung dieses Salböl göttlichen Ursprung: Bei der Salbung Chlodwigs anläßlich seiner Taufe und Firmung durch den hl. Remigius soll eine Taube vom Himmel dies Oel gebracht haben. Selbst der hl. Thomas von Aquin erinnert daran in seinem Werk „De regimine principum“ und schreibt: „ ... Sani- tatis (sacrae unctionis) argumentum assumimus ex gestis Francorum et Beati Remigii super Clodovaeum regem ... ex delatione desuper per columbam, quo rex praefatus fuit iunctus, et inunguntur posteri, signis et portentis ac variis curis apparentibus in eis ex unctione praedicta.“

Ja, es ging so weit, daß man auf Grund dieser Salbung den Königen von Frankreich die Macht zuschrieb, Kranke zu heilen. Die Worte, die der König dabei sprach, lauteten: „Der König berührt dich, Gott möge dich heilen."

Die Salbung von Herrschern anderer Länder wurde, wie das römische Pontifikale sagt, mit Katechumenenöl vorgenommen und brachte damit eine gewisse Zweitrangigkeit zum Ausdruck. Die gesalbten Stellen waren Haupt und Vorderarm, auch die Ohren wie die Stellen zwischen den Schultern wurden gesalbt. Bevorzugt war jedoch der rechte Vorderarm, ein Symbol der Herrschaft wie des Schutzes, den der König der Kirche und dem Glauben gewähren sollte.

Ebenfalls wird Chrisma bei der Konsekration von Kelchen, Patenen, Altären, Kircheninneren und bei der Glockenweihe verwendet.

Bei den Griechen salbt der Bischof die fertiggestellten Ikonen mit heiligem Myron, haben sie doch nach Auffassung der Ostkirche „Anteil am Sein der auf ihr dargestellten heiligen Gestalten". Ebenso vollzieht sich die Weihe de Altares, des Antiminsions (geweihtes Tuch mit eingenähten Reliquien), des Kelches wie des hl. Diskos (Patene).

Im Gegensatz zum Westen verwahrt die Ostkirche das hl. Myron zusammen mit den anderen hl. Oelen in einem eigenen Kästchen, das auf dem Altar hinter der Bilderwand neben dem Evangelienbuch, einem liegenden Kreuz und einem goldenen Gefäß für das Sakrament der Kranken steht.

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