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Cicero wird kassiert

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Auch die Staatsangestellten wünschen die neue Gehaltsordnung. Aber doch nur in Funktion höherer Dienstgrade und höherer Gehälter. Dafür verteidigen die Ministerien ihre Kompetenzen, ihre Geheimnisse; die Bürokratie verteidigt ihre Privilegien, der Beamte seinen gewohnten Schreibtisch und würde ihn um nichts in der Welt mit einem anderen vertauschen. Die Gewerkschaften jeder politischen Richtung verteidigen alles das und dazu noch die Vorteile, die sich die eine oder andere bevorzugte Kategorie auch im Gegensatz zum Gesetz zu verschaffen gewußt hat. In diesen Tagen hat der Verfassungsgerichtshof, um nur ein kleines, aber pittoreskes Beispiel zu nennen, endlich den „Cicero“ abgeschafft. Der „Cicero“ ist eine kleine Stempelmarke mit dem Bild des berühmten Redners und Rechtsgelehrten Marcus Tullius Cicero, das die Advokaten auf jeden bei Gericht eingereichten Akt zu kleben hatten. Der Ertrag dieser Einrichtung floß aber keineswegs dem Staat, also der Allgemeinheit, zu, sondern wurde zugunsten der Sozialversicherungskasse der Gerichtsbeamten eingesteckt.

Die von den Staatsangestellten geforderte Reform würde eine zusätzliche Ausgabe von mehreren hundert Milliarden Lire mit sich bringen. Die Regierung bot erst 25, jetzt 50 Milliarden. Mehr zu geben weigern sich (vorläufig noch) sowohl der für die Staatseinnahmen verantwortliche Finanzminister, der für die Ausgaben verantwortliche Schatzminister und der Minister für den Staatshaushalt, der beides in ein unmögliches Gleichgewicht zu bringen hätte. Obwohl man im abgelaufenen Jahr wieder um 8,4 Prozent mehr Steuern aus den Italienern herausgepreßt und damit nach dem Urteil der Fachminister bereits an einem gefährlichen Punkt angelangt ist, der kein weiteres Zudrehen der Schraube mehr gestattet, beträgt das Defizit für das Haushaltsjahr 1967 1165 Milliarden. Aber von den .8950 Milliarden des Ausgabenvoranschlages verschlingen die Personalspesen des Staates bereits 3800 Milliarden oder 41,4 Prozent. Die Steuerleistung pro Kopf hat im Jahre 1966 212.000 Lire erreicht und übertrifft damit die durchschnittliche Ausgabe des Italieners für seine Ernährung.

DDie letzten zwölf Monate der gegenwärtigen Legislaturperiode haben begonnen. Die Regierung hat die besten Absichten, dem Druck aller jener Berufskategorien zu widerstehen, die noch rasch vor Torschluß und in der richtigen Kalkulierung, daß die Regierungsparteien vor den Wahlen empfindlich sind, Verbesserungen ihrer Bezüge herausschlagen wollen. Weil die Regierung Fanfani vor den Wahlen 1963 diesem Druck nachgegeben hat, ist es zu der finanziellen Krise des Jahres 1964 gekommen. Die wirtschaftlichen Folgen hat die Privatindustrie erst jetzt überwunden, der Staat jedoch immer noch nicht.

Sind die Vorschläge der Regierung für die neue Gehaltsordnung wirklich so schlecht? Nach dem den Gewerkschaften vorgelegten Schema würde etwa ein Botschafter ein jährliches Grundgehalt von 13,2 Millionen Lire, ein Ministerialrat von 5 Millionen, ein Sektionschef von 3,83, ein Sekretär von 1,82, ein Archivbeamter von 1,28 und ein Amtsdiener von 1,4 Millionen erhalten. Das Schlimme ist, daß die Regierung in ihren Verhandlungen mit den Gewerkschaften ziemlich waffenlos ist. Die Unordnung ist so groß, daß sie weder die genaue Anzahl der eigenen Beamten und Angestellten kennt noch über vergleichende Statistiken bezüglich der Einkünfte der Privatangesitellten verfügt. Daß es in der Privatwirtschaft günstigere Gehaltsbedingungen gibt, muß zumindest in den vergangenen Jahren seine Berechtigung gehabt haben. Aber seit einiger Zeit ist die umgekehrte Tendenz zu beobachten: die privaten Betriebe heuern nicht mehr die Staatsangestellten ab, sondern der Staat erhält Zuzug aus den privaten Betrieben.

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