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DR. KARL TINZL ...SEIN LAND TIROL

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In Bozen starb dieser Tage Altsenator Rechtsanwalt Dr. Karl Tinzl im Alter von 76 Jahren. Seine Lebensflamme erlosch, aufgezehrt durch den nimmermüden Einsatz für seine Heimat Südtirol und eine Arbeitsleistung, die ebenso selbstlos wie beispielgebend war. Die Ehrungen, die Altsenator Doktor Karl Tinzl im Oktober 1963 anläßlich der Vollendung seines 75. Lebensjahres zuteil geworden sind, zeugten davon, daß Südtirols Volk sich der Leistung dieses Mannes dankbar bewußt ist.

Als Sohn eines Rechtsanwaltes am 4. Oktober 1888 in Schlanders im Vinschgau geboren, besuchte er das später vom Faschismus ausgelöschte berühmte Meraner Stiftsgymnasium und wurde am 14. Mai 1912 an der Universität Innsbruck sub auspiciis impera- toris zum Doktor der Rechte promoviert. Seine außerordentliche Begabung offenbarte seine Berufung zum akademischen Lehramt, doch der Krieg forderte seinen tapferen Einsatz an der Dolomitenfront. Dann brachte ihn die Einsicht der Notwendigkeit, seiner zerrissenen und gefährdeten Heimat zu dienen, zum Entschluß, der Universitätslaufbahn zu entsagen. Statt angesehen und erfolgreich einen Lehrstuhl innezuhaben, stellte sich Dr. Karl Tinzl aufopfernd in den Dienst Südtirols: Er ließ sich als Rechtsanwalt nieder und wurde bei den Frühjahrswahlen 1921 gemeinsam mit Friedrich Graf Toggenburg, Doktor Willy von Walther und Doktor Eduard Reut-Nicohissi als Abgeordneter der Südtiroler in die römische Kammer entsandt. 1924 wurde er abermals gemeinsam mit Dr. Paul Freiherrn von Sternbach nach Rom entsandt. Hier brachte er mit seinen Kollegen die Rechtsverwahrung gegen die Annexion Südtirols ein, hier trat er unentwegt und durch keine Drohungen eingeschüchtert für das Recht Südtirols ein. Er forderte 1925 gemeinsam mit Abgeordneten Sternbach die Wiederherstellung des unterdrückten Unterrichtes in der Muttersprache.

In der schweren Zeit der Option 1939 stand er jedem — wie er auch immer denken mochte — bei. Seinen absoluten Gerechtigkeitssinn stellte er unter Beweis, als er 1943, während der deutschen Besetzung, mit der Leitung der Präfektur Bozen betraut wurde. Er übte das verantwortungsvolle Amt so einwandfrei aus, daß weder ein alliiertes noch ein italienisches Gericht, kein Staatsanwalt und keine Polizeibehörde ihm etwas vorwerfen konnten. Damals bewies er seine Hilfsbereitschaft gegen seine Landsleute wie gegen die Italiener, die ihm später sein menschenfreundliches und unparteiisches Wirken gerne bestätigten.

Der bescheidene Mann wäre nach 1945 am liebsten nicht mehr in die Politik zurückgekehrt. Aber seine reiche Erfahrung und sein gründliches Wissen konnten die Südtiroler nicht entbehren. Und dies stellte er auch, obwohl still im Hintergrund und selbstlos wirkend, stets zur Verfügung, Bei den Parlamentswahlen 1953 wurde er mit 60.000 Vorzugsstimmen in die Kammer gewählt, eine Stimmenzahl, die keiner der Abgeordneten sonst erreichte. Die nicht leichte Bürde des Obmanns der Südtiroler Volkspartei nahm er von 1954 bis 1956 auf sich, bis 1962 die eines Obmannstellvertreters. Im Mai 1958 wurde Dr. Tinzl als Senator des Wahlkreises Brixen nach Rom entsandt, doch 1962 zog er sich aus Gesundheitsgründen aus dem politischen Leben zurück.

Erwähnt seien neben der parlamentarischen und parteipolitischen Tätigkeit auch seine vielseitige Rechtsberatung und Förderung kultureller und wirtschaftlicher Einrichtungen in Südtirol, seine wöchentliche Mitarbeit an den „Dolomiten“ und an namhaften Publikationen. Der Dank des Landes zeigte sich darin, daß er 1957 das Ehrenzeichen des Landes Tirol, 1959 die Würde eines Ehrensenators der Universität Innsbruck und 1963 die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsgemeinde Schlanders erhielt.

Mit seiner Familie trauert das ganze Tiroler Volk um Dr. Karl Tinzl, den vorbildlichen Katholiken, den Gerechtigkeitsfanatiker, den unermüdlich um Verständigung und Verständnis ringenden Menschen. „Diesem Volke von Südtirol, diesem Lande Südtirol gehört mein Herz auf immer!“ bekannte Dr, Karl Tinzl einmal. Noch einmal tritt beim Abschied seine Gestalt vor uns, mit allen ihren liebenswerten Zügen: der Bescheidenheit, dem Eifer, der Klugheit, dem Maß, der Liebenswürdigkeit, der Entschlossenheit, dem Mut, der Wahrheitsliebe, der Unbedingtheit, dem Verstehen des anderen und der Treue bis zum letzten.

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