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Ein Haus- und Familienbuch

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Die alte Frage, ob das entscheidende geschichtliche Geschehen durch Einzelpersonen bewirkt wird, hat Adalbert Stifter dahin beantwortet, daß es immer nur einer sei, der die Fackel schleudert. In diese Richtung weist auch das in der Buchreihe „Studien der Wiener Katholischen Akademie“ von Hugo Hantsch, dem Vorkämpfer der Förderung des österreichischen Staatsbewußtseins und der Liebe zum Vaterland, herausgegebene Prachtwerk „Gestalter der Geschicke Österreichs“, das in 45 Porträts aus der 1000jährigen Geschichte Österreichs den Wert der Persönlichkeit als „Gründer, Gestalter und Verteidiger des Staatswesens und der Gemeinschaft“ unterstreicht.

Wir kennen ähnliche — meist umstrittene — Zusammenstellungen, wie unter anderem von Alfred Krauß, Rene Grous-set, Peter R. Rohden oder Stefan Zweig, und in Österreich besteht eigentlich kein Mangel an biographischen Sammelarbeiten, aber ein repräsentatives Werk wie das vorliegende lag bisher nicht vor. Wie viele Parteifanatiker und abwegige Spielarten von Liberalen, Demokraten, Republikanern, Marxisten, Großdeutschen und anderen „Nationalen“ haben oft und oft die bedeutenden Gestalten unserer Geschichte verwischt und verzerrt, ist doch noch 1941 ein Buch erschienen, in welchem die österreichischen Feldherren zu „kerndeutschen“ Heroen umgewandelt worden sind. Nun liegt eine wohltuende „Austri-fizierung“ vor dem Leser, vorgenommen von 25 Bearbeitern, unter denen sich 20 Berufshistoriker (hiervon neun Archivare) und 19 Mitglieder der Wiener Katholischen Akademie befinden. Die an Karl den Großen chronologisch anschließenden Schilderungen von 15 Herrschern (mit Erzherzog Franz Ferdinand) aus den Häusern Babenberg, Habsburg und Habsburg-Lothringen, 16 Staatsmännern (unter diesen drei aus der Republik), zwei Kirchenfürsten und elf Feldherren sind teils Biographie, teils Charakterbild oder mehr allgemeiner Zeitquerschnitt, das Hauptgewicht liegt überall am erzielten Erfolg, die streng sachliche Anführung auch gegensätzlicher Urteile von Zeitgenossen und der Nachwelt zeigen die Schwierigkeiten der Bearbeitung deutlich auf.

Die meisten Gestalten haben ihre endgültigen und unanfechtbaren Konturen erhalten, einige der neueren Zeit werden vielleicht noch diese oder jene Berichtigung erfahren. Nahezu alle Verfasser haben die Ergebnisse der jüngsten Geschichtsforschung bis 1962 ausgeschöpft, wie die oft überreichen Literaturnachweise verraten. 45 Personenbilder sind natürlich keine geschlossene Geschichte, doch gerade diese Auflockerung in selbständig lesbare Einzelkapitel macht das Buch zu einem schätzenswerten Nachschlagewerk, zugleich geeignet, als wirkliches österreichisches Haus- und Familienbuch große Geschichte breiteren Kreisen leicht verständlich zu machen.

Der Wunsch, neben den „Männern des politischen Lebens“ auch die „Männer des Geistes“, also die Vertreter der Wissenschaften und Künste kennenzulernen, soll durch einen nachfolgenden Band erfüllt werden. Schon jetzt kann gesagt werden, daß diese beiden Bände zum eisernen Bestand jeder Bibliothek gehören werden, und es bleibt ein besonderer Erfolg der Katholischen Akademie, durch die in den historischen Porträts zutage tretende Besinnung auf Österreich sowohl der allgemeinen als auch der Volksbildung einen bedeutsamen Dienst geleistet zu haben. Viele Österreicher, die vor einem Vierteljahrhundert vom politischen Sturmwind mitgerissen worden waren, haben unterdessen wieder den Kurs auf Österreich genommen. Wenn sich die noch Zögernden unter dem Eindruck der Lektüre und des am Bucheinband eingeprägten Anagramms Kaiser Friedrichs III., „A-E-I-O-U“, in unserer Ausdeutung: „Auf Ewig Ist Österreich Unser“, zurückgewinnen ließen, wäre dies der gerechteste Lohn für alle auf die Publikation aufgewendete redliche Mühe.

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