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GEORGE W. BALL / WICHTIG FÜR EUROPA

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Der neue stellvertretende Außenminister der Vereinigten Staaten, George W. Ball, kann ein Schick-salsmann für unser Europa werden: Von seinen Planungen und Aktionen kann das wirtschaftliche und politische Gesicht Westeuropas mitbestimmt werden, wie seine letzten Besuche in Paris, Bonn, London zeigen. Schon deshalb verdient dieser Hüne aus Iowa (er ist rund 1,90 Meter groß) unser Interesse in Österreich. Besonders in Österreich.

George W. Ball wurde am 21. Dezember 1909 in Des Moines in Iowa geboren, studierte Rechtswissenschaften, war zwei Jahre im Staatsdienst und trat dann in ein Rechtsanwaltsbüro in Chikago ein, dem zeitweise auch Adlai Stevenson und der derzeitige Postminister Edward Day angehörten. Die Geschichte der Rechtsanwälte, die in die Politik gingen und gehen, ist bisher weder für Europa noch für die USA geschrieben. In Amerika kommt )ohn Foster Dulles aus dem angesehenen und einflußreichen New Yorker Rechtsanwaltsbüro Sullivan Sc Co., das für seinen Aufstieg ebenso von Bedeutung gewesen sein dürfte wie die ererbte Führerstellung in seiner protestantischen Kirche. Nicht unähnlich wie in Frankreich, scheinen sich in Amerika politische Führungsgruppen in solchen Kanzleien zu bilden, die in engem Kontakt mit den führenden Männern der Wirtschaft stehen. Ball gründete, nachdem er im letzten Weltkrieg in der Verwaltung der Pacht- und leihhilfe und zwei Jahre in militärischer Mission in Europa tätig war, nach Kriegsende ein Rechtsanwaltsbüro, das sich für internationale Fragen spezialisierte und Zweigbüros in Paris und Brüssel hat. In dieser Eigenschaft arbeitete Ball die letzten Jahre viel in Europa und darf heute als ein führender Repräsen-

tant einer engen Verbindung von Politik und Wirtschaft in den USA angesehen werden. Im September 1961 hielt Ball als amerikanischer Delegierter bei der Tagung der Weltbank in Wien eine stark beachtete Rede.

Ball hat es sich offensichtlich zur Aufgabe gestellt, die USA und die EWG eng miteinander zu verschweißen: zu einem kampfstarken wirtschaftlich-politischen Block. In diesem Sinn bemüht er sich um die rasche Eingliederung Englands in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und — achten wir in Österreich genau auf diese Planung — um eine klare Ausgliederung der Neutralen aus der EWG.

Ein Kommentar der „Washington Post“ zum letzten Europabesuch Balls ließ in dieser Hinsicht keine Zweifel übrig, und sollte nicht nur in der Schweiz und in Schweden, sondern auch in Österreich höchste Beaclifung finden. Ball möchte offensichtlich zuerst den USA-EWG-Block, einschließlich England, unter Dach und Fach bringen, und dann sowohl die Neutralen, wie auch osteuropäische Länder einladen, in gewisse Beziehungen zu diesem Block zu treten. Ball sagte bei seinem Londoner Besuch, daß die Interessen der neutralen Länder durch andere Methoden als die

einer Assoziation wahrgenommen werden könnten: Sofort haben die Schweden auf diese Äußerung reagiert. Die schwedische Bilderberg-Gruppe, eine private Kontaktgruppe leitender Politiker, Wirtschaftsführer und Beamter, hat Ball, den belgischen Außenminister Spaak und den britischen Europaminister Heath zu einer Aussprache im kleinen Kreis eingeladen.

Die Persönlichkeit des sehr energischen, sehr klar seine Pläne verfolgenden neuen stellvertretenden Außenministers Ball ist geeignet, in Österreich Illusionen zu zerstören — gerade hinsichtlich einer Assoziation mit der EWG —, und sie wird vielleicht dazu beitragen, hierzulande mehr Rücksichtnahme für unsere Neutralität zu erwecken als in manchen Kreisen handelsüblich ist. Österreichs Neutralität ist ja nicht nur für östliche Kreise, sondern auch für westliche Interessen sehr bedeutsam, wie übrigens auch der deutsche Bundespräsident Lübke bei seinem Staatsbesuch in Wien erklärte. So hat sich eine groteske Situation ergeben: Dem Drängen gewisser Gruppen und Personen in Österreich nach rascher Verbindung mit der EWG ist nunmehr, nach Moskau, auch der wichtigste Repräsentant des Westens mit einem klaren Nein entgegengetreten. Diese Lektion war fällig, hoffentlich wird sie gelernt.

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