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Gespräche im Dreieck

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Nach Berichten verläßlicher Gewährsmänner herrscht in den Führungsgremien nicht weniger Länder Besorgnis wegen der Rückwirkungen des Tauziehens der drei wirklichen Weltmächte. So äußerte Tschiangkaischek in seinem jüngsten Gespräch mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Agnew seine große Besorgnis über die durch die Neuorientierung der amerikanischen Chinapolitik entstandene „ernste Gefährdung der guten Beziehungen zwischen den USA und Nationalchina“. Kurz vor seiner Reise nach Formosa zu Gesprächen mit Tschiangkaischek, der sein Ziel der Wiedereroberung des chinesischen Festlandes niemals aufgegeben hat, hatte Agnew einen „vernünftigen Dialog mit dem maotischen China“ befürwortet. Schon die Tatsache, daß Präsident Nixon auf seiner vorjährigen Asienreise Formosa übergangen hatte, hatte maßgebende Nationalchinesen verstimmt und mächte sie so empfindlich, daß sie jetzt den amerikanischen Vorschlag, Agnew während seines Besuches in Formosa nicht nur von nationalchinesischer Polizei, sondern auch von amerikanischer Militärpolizei beschützen zu lassen, als „Beleidigung“ bezeichneten.

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Nach Berichten verläßlicher Gewährsmänner herrscht in den Führungsgremien nicht weniger Länder Besorgnis wegen der Rückwirkungen des Tauziehens der drei wirklichen Weltmächte. So äußerte Tschiangkaischek in seinem jüngsten Gespräch mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Agnew seine große Besorgnis über die durch die Neuorientierung der amerikanischen Chinapolitik entstandene „ernste Gefährdung der guten Beziehungen zwischen den USA und Nationalchina“. Kurz vor seiner Reise nach Formosa zu Gesprächen mit Tschiangkaischek, der sein Ziel der Wiedereroberung des chinesischen Festlandes niemals aufgegeben hat, hatte Agnew einen „vernünftigen Dialog mit dem maotischen China“ befürwortet. Schon die Tatsache, daß Präsident Nixon auf seiner vorjährigen Asienreise Formosa übergangen hatte, hatte maßgebende Nationalchinesen verstimmt und mächte sie so empfindlich, daß sie jetzt den amerikanischen Vorschlag, Agnew während seines Besuches in Formosa nicht nur von nationalchinesischer Polizei, sondern auch von amerikanischer Militärpolizei beschützen zu lassen, als „Beleidigung“ bezeichneten.

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Nicht geringer ist das Mißtrauen und die Unsicherheit auf dem chinesischen Festland. Personen, die kürzlich mit einflußreichen Rotchinesen sprachen, haben den Eindruck, daß diese von einer ausgesprochenen „Einkreisungspsychose“ befallen sind. Sie fühlen sich nicht nur von den USA und den sogenannten „Neuen Zaren“ in Moskau bedroht, sondern auch von Japan und sogar von Indien, wo nach ihren Befürchtungen der Einsatz des Dalai Lama in einer gewaltsamen Revolte zur Wiedereroberung des an Rotchina

angegliederten Tibet vorbereitet wird. Alle diese Kräfte hätten sich zu einer „räuberischen Einkreisung“ des maotischen Reiches zusammengeschlossen.

Nur eineinhalb Jahrzehnte sind vergangen, seit sich Mr. Foster.Dull.es in Genf weigerte, Tschu En-lai, diesem aalglatten Meisterdiplomaten und Mitglied einer Sippe, deren Angehörige einst auf dem chinesischen Kaiserthron saßen, die Hand zu geben. Heute aber wird in den Vereinigten Staaten die Möglichkeit einer gründlichen Revision der ge-

samten amerikanischen Chinapolitik offen erörtert. Größeres Aufsehen in diesem Zusammenhang erregte kürzlich ein Vorschlag der amerikanischen Zeitschrift „Time“, die Vereinigten Staaten mögen der Sowjetunion klarmachen, daß Moskau im Falle eines sowjetischen Angriffskrieges gegen das maotische China nicht mit „Straflosigkeit“ rechnen könne, da die militärische Überlegenheit Moskaus über Rotchina so groß sei, daß in einem Krieg zwischen den beiden kommunistischen Großmächten eine Neutralität der Vereinigten Staaten nur Sowjetrußland zugute käme. Nach dem Urteil unparteiischer Beobachter in und außerhalb Asiens steht das Kräftespiel der drei wirklichen Weltmächte, von dem das Schicksal so vieler anderer Länder abhängt, im Zeichen wachsenden . Mißtrauens und gegenseitigen „Abtastens“. Dieses Mißtrauen sei so groß, daß führende Rotchinesen „entsetzt“ waren, als man den amerikanischen Außenminister Rogers sagen hörte, es habe noch nie „so sachliche, angenehme und ernsthafte amerikanische Gespräche“ mit Moskau gegeben wie bei den jüngsten Verhandlungen in Helsinki. Ebenso groß sei die Ungewißheit der USA über den wirklichen Verlauf der Pekinger Geheimverhandlungen zwischen den beiden kommunistischen Großmächten und das Unbehagen in Moskau angesichts der Wiederaufnahme der Warschauer Gespräche.

Die „gezielten“ Meldungen über alle diese hinter dem Rücken anderer Weltmächte geführten Geheimverhandlungen geben zu so großem Mißtrauen Anlaß, das nicht einmal die erstmalig in dieser Weise formulierte „Enthüllung“ des Ta Kung Pao, einer kommunistisch orientierten Zeitung in Hongkong, ernst zu nehmen sei, daß „die sowjetisch-rot-dhinesischen Geheimverhandlungen in Peking völlig fehlgeschlagen seien, weil Moskau die im seinerzeitigen Gespräch zwischen Tschw En-lai und Kossygin als Grundlage dieser Geheimverhandlungen vereinbarte Abmachung gröblich verletzt habe“.

Die solche „Enthüllungen“ begleitenden Nachrichten über weitere rotchinesische Kriegsvorbereitungen in Stadt und Land mit allenthalben anzutreffenden „Haufen frisch ausgehobener Erde“ dienen möglicherweise der Tarnung der wirklichen Ziele der höchsten maotischen'Führungsgremien, im Einklang mit dem traditionellen Grundsatz der chinesischen Kriegs- und Staatsführung; wirkliche und potentielle Gegner durch Zickzackkurse andauernd ' zu , verwirren. Und nicht wenige der besten Kommentatoren haben den Eindruck, daß maßgebende Persönlichkeiten in den maotischen Führungsgremien nunmehr ihre Hoffnungen aufgegeben haben, als Folge einer katastrophalen Verschärfung der amerikanisch-sowjetrussischen Gegensätze automatisch zu Schiedsrichtern und Vollziehern der Weltgeschichte zu werden. Und da diese Rechnung nicht aufgegangen sei, wird in absehbarer Zeit eine gründliche Neuorientierung der gesamten rotchinesischen Außenpolitik zu erwarten sein. Alles andere sei Tarnung.

Sex als Ideologie (Seite 16)

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