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Grubenverstaatlichung abgelehnt — in Australien

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„Wie viele Theorien, die im Drucke so überzeugend dargestellt werden, verliert auch die Nationalisierung viel von ihrer Kraft, wenn sie dem Lichte praktischer Erfahrung ausgesetzt wird. Von den wenigen staatlichen Kohlengruben in Australien — die Mehrheit derselben blieb bisher in privater Hand — ist die wichtigste die von L i t h g o w in Neu-Südwales, die 1916 eröffnet wurde. Es kann nicht behauptet werden, daß sie einen besonderen Erfolg aufweist, vielmehr hatte sie nach elf Jahren einen Schuldenstand von 581.941 Pfund, woVon 271.941 Pfund abgeschrieben werden mußten. Auch seither sind die Verluste überwiegend. Wenn der Zweck der Grubenbewirtschaftung war, die Ausbeutung der Staatsbahnen durch die Preise der privaten Kohlengewerke zu verhindern, so wurde dieses Ziel nicht erreicht. Die Bahnverwaltung zahlt heute für Kohle ans den Staatsgruben um 2 s 6 d bis 2 s 9 d mehr, als sie Kohlen gleicher Qualität von privaten Gruben in der Nähe beziehen könnte ... Der Prozentsatz von Unfällen ist in den Staatsgruben größer als in vergleichbaren Privatgruben desselben Bezirkes... Es ist ein im Grunde ungesundes Prinzip, daß dem Verwaltungsausschusse ein Minenarbeiter oder ein Unterbeamter angehören, die derart Vorgesetzte des Betriebsleiters werden, unter dessen Leitung sie ihren Dienst machen sollen. In C o a 1 c 1 i f f, einer unter Staatsverwaltung gestellten Grube, ist die Zusammenarbeit von Beamten, der lokalen Grubenarbeiterloge und der Bezirksorganisation der Grubenföderation so schlecht, wenn nicht schlimmer als zur Zeit, da die Grube unter privater Kontrolle stand,“

Es ist kein Tory, kein Sozialausbeuter oder Scharfmacher, der sich so gegen die Verstaatlichung von Kohlengruben ausspricht, sondern die von der oft wegen ihrer sozialen Energie und Fortschrittlichkeit gerühmten sozialistischen Arbei-terregierung Australiens im Jänner eingesetzte offizielle Regierung-k o m m i s s i o n, die die Gründe des ernsten Rückganges der Kohlenproduktion im Kriege zu untersuchen hatte und dabei zu einer so entschiedenen Absage an die Verstaatlichungsidee gelangte. Der Kommissionsbericht, der in fast 400.000 Worten die Frage ersdiöpfend und offenherzig behandelt, wurde dem australischen Parlamente am 22. März vorgelegt, wurde aber bisher nicht in Druck gegeben und ver-

breitet. Bisher “hat nur die „Sidney Morning Post“ einen ausführlichen Auszug daraus veröffentlicht.

Der Kommissionsbericht verweist auch darauf, daß aus diesen Gründen keine der seit langem sowohl im Bunde wie im Staate Neu-Südwales herrschenden Labour-regierungen auf die von den Gruhen-arbeitern gelegentlich erhobenen Forderungen nach Verstaatlichung eingegangen ist.

Der interessante Bericht schlägt schließlich eine ganz andere Lösung vor: Schaffung einer Bundeskohlenbehörde, die befugt sein solle, jenen. Kohlengrubenbesitzern eine Prämie auszuzahlen, die sich freiwillig ihrem Schiedssprüche unterwerfen in Sachen der Besserung der Lebens- und sozialen Verhältnisse, der Festigung von Gesetz und der Heiligkeit der Verträge, der Erneuerung des Rechtes der

Betriebsleiter, Disziplin herzustellen, nötigenfalls auch durch Entlassungen unter dem Schutze eines unabhängigen Gerichtshofes.

Wenn es irgendeine sozialistische Regierung gibt, deren Sozialpolitik nicht der Schwäche und Vernachlässigung der Arbeiterinteressen beschuldigt werc'en kann, so ist es die Australiens, aus deren Mitte die Regierungskommission und deren vorstehendes Votum hervorgegangen ist.

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