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Hans Schmitz / Historische Gedenktage 1967/68

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Zwei Gedenktage an der Jahreswende 1967/68 laden zur besinnlichen Rückschau ein. Am 22. Dezember 1867, also vor etwa 100 Jahren, wurden im österreichischen Reichsgesetzblatt die die sogenannte Dezemberverfassung bildenden

Reichsgesetze kundgemacht und damit in Kraft gesetzt. Die Österreicher von heute haben guten Grund, dieses geschichtlichen Datums zu gedenken.

Von den sieben Gesetzen bildet das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder" heute noch einen Bestandteil der Bundesverfassung der Republik Österreich. Dieses Staatsgrundgesetz enthielt damals die klassischen Grundrechte, die dem einzelnen Staatsbürger eine staatsfreie, das heißt eine gegen staatliche Eingriffe und Eingriffsmöglichkeiten abgeschirmte Sphäre schaffen sollten. Vom Liberalismus als Reaktion gegen den absoluten Polizeistaat mit Elan vorwärts getragen, gehen diese Grundrechte auch und in besonderem Maß auf die Lehre des christlichen Naturrechtes zurück, dem die Würde des Menschen und die Gleichheit aller Menschen vor Gott ein besonderes Anliegen waren und sind.

Mit diesem Staatsgrundgesetz und der Einsetzung des Reichsgerichtes, dem Vorläufer des heutigen Verfassungsgerichtshofes und der geplanten Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes, die allerdings erst acht Jahre später erfolgte, wurde der Boden zur rechtsstaatlichen Entwicklung Österreichs gelegt. Seither sind andere grundrechtliche Bestimmungen, wie der Schutz der Minderheiten und anderes, hinzugekommen,

und gegenwärtig berät eine „Grundrechtskommission" im Bundeskanzleramt den Einbau „sozialer Grundrechte“ in den Grundrechtskatalog.

Mit 1. Jänner 1918, also vor 50 Jahren, nahm das neue Ministerium für soziale Fürsorge seine Tätigkeit auf. Es geht auf die Initiative Kaiser Karls (Handschreiben vom 7. Oktober 1917) zurück und wurde mit Gesetz vom 22. Dezember 1917 RGBl. Nr. 499, womit anläßlich der Errichtung des Ministeriums für soziale Fürsorge gesetzliche Bestimmungen über den Wirkungskreis einzelner Ministerien abgeändert wurden, geschaffen. Mit der Leitung des neuen Ministeriums, für die zuerst der Reichsratsabgeordnete Dr. Bämreither in Aussicht genommen war, wurde der statistische Fachmann Dr. Viktor Mataja betraut. Der letzte Ressortchef in der Monarchie für ganz kurze Zeit im Kabinett Lammasch war der spätere Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel.

Die wachsende Industriegesellschaft mit dem Massenphänomen der abhängigen Arbeit erforderte zur Bewältigung der mit ihr in gleichem Tempo wachsenden sozialen Probleme eine Konzentration der legislativ und verwaltungsmäßig mit arbeits-, sozialrechtlicher und damit in Zusammenhang stehenden Fragen befaßten Behörden, die bis dahin den Kompetenzbereichen des Innen- und Handelsministeriums angehörten. In der industriellen Gesellschaft von heute wird infolge der ihr eigenen Beziehungen zu Eigentum und Arbeit, wie Johannes Messner in der fünften Auflage seines Naturrechtes wiederholt, ein breites Maß von Sozialpolitik stets eine naturrecht liche Verpflichtung des Staatet bilden.

Das neue Ministerium, später unc heute als Bundesministerium füm soziale Verwaltung fungierend, ha in diesen 50 Jahren Hervorragende: geleistet. Aus dem Proletarier vor einstens ist ein gleichberechtigtem Mitbürger mit verbesserter Lebenshaltung geworden. Mit dem Geschichte des Ministeriums sind du Namen bedeutender Fachleute deren Aufzählung Seiten füller würde, verbunden. Aus der Reihe der Ressortchefs — aus der Zeit dem Ersten und Zweiten Republik — seien der Sozialdemokrat Ferdinand Hanusch, der christlichsoziale hervorragende Fachmann Dr. JoseJ Resch, der mehr als zehn Jahre ir der Ersten Republik das Ministerium leitete, der Christlichsoziale Richarc Schmitz, in der Zweiten Republik die Sozialisten Johann Böhm und Anton Proksch angeführt. Gegenwärtig leitet — zum erstenmal in der Geschichte Österreichs — eine Frau Frau Grete Rehor, das Ministerium.

Vor etwa vier Jahrzehnten schrieb der Autor dieser Zeilen: Nur eine durch Arbeitsrecht und Sozialrecht begrenzte Ordnung mit kapitalverwendender und kapitalvermehrender Wirtschaftsweise, mit wirtschaftlicher Partnerschaft der Verbände der Unternehmer und Arbeiter vermag jene Güterfülle zu erzeugen, die eine allgemeine Verbesserung der Lebenshaltung der breiten Masse des in abhängiger Arbeit Tätigen ermöglicht. Die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte hat die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigt. Möge die Erkenntnis auch in Zukunft Beachtung finden, daß wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg ständiges Wachstum der Wirtschaft voraussetzt.

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