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Heimgekehrt

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„Die Religion ist in Gefahr! — Ein gläubiger Katholik zum Exkommunika-tionsdekret“, betitelte sich die aufsehenerregende Veröffentlichung, mit der die kommunfstische kulturpolitische Monatsschrift „österreichisches Tagebuch“ ihr Septemberheft des vorigen Jahres einleitete. Diese Untersuchung, inwieweit und ob unter allen Umständen das vatikanische Dekret den gläubigen Katholiken verpflichte, der in der kommunistischen Partei stehe, war das Dokument eines „Suchenden und Irrenden“. In einer am 17. September vorigen Jahres in der „Furche“ publizierten Antwort „Brief an den getrennten Freund“ wurde eine öffentliche, auf den Kern des Themas eingehende Aussprache mit dem Verfasser eingeleitet, die auch im Ausland Widerhall und Anteilnahme fand; sie mündete dann in einen freundschaftlichen mündlichen Gedankenaustausch, der auch am Krankenlager eines der beiden Partner nicht unterbrochen wurde. Der Gesprächsteilnehmer aus dem kommunistischen Lager war kein beiläufiger Katholik und auch kein Pseudochrist, der etwa aus Furcht oder aus Verlangen nach den Silberlingen des Blutackers weitab nach link geraten war, sondern er war aktiver Katholik, ein Schriftsteller von noblem Format, der mit uns in der KZ-Zeit über glühende Roste gegangen und vor unsern Augen erprobt worden war. Er war auch nicht ein beliebiger Kommunist oder ein ideologischer Dilettant des wissenschaftlichen Sozialismus. Nikolaus Ho-v o r k a war der geschäftsführende stellvertretende Präsident der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft, geehrt in seiner Partei, einer der sichtbarsten und bedeutendsten Köpfe des kommunistischen Intellektualismus in Österreich. Die Auseinandersetzung mit ihm in einer Situation von größter Bedeutung war Pflicht. Nun ist Nikolaus Hovorka aus der kommunistischen Partei ausgetreten.

Schon im Oktober vorigen Jahres bezeichnete eine von Dr. Ad. Rasofsky gefertigte Zuschrift an die kommunistische Monatsschrift als das zu erwartende Ergebnis der begonnenen grundsätzlichen Kontroverse die Beantwortung der Frage: „Wird der religiöse Mensch, der als Kommunist die Bindung des gleichen Weges mit Atheisten auf sich nimmt, die Freiheit haben, nein zu sagen, wenn er einer .Einheitswissenschaft' oder der richtigen .Philosophie' oder einem andern Götzen Weihrauch streuen soll?“ — Die Skepsis des Fragestellers war begründet. Nikolaus Hovorka hat es — der wievielte m der Kette! — erfahren müssen, daß es diese Freiheit gegenüber dem Parteidogma nicht gibt. Er konnte für seinen letzten Entschluß, den er aus strenger Erforschung und unter Htojabe persönlicher Interessen und Verbindungen, die ihm teuer waren, sich erkämpfte, bei der Führung seiner bisherigen Weggenossen nicht einmal jene Achtung erfahren, die dem herzhaft offenen Entscheid eines freien Mannes gebührt. Als er dem Götzen nicht opfern wollte, versuchte man die Ehre des Mannes unter den bekannten diffamierenden Formeln zu beschmieren.

Der Fall Nikolaus Hovorka liegt, objektiv gesehen, vollständig abseits der Politik. Die Handlung spielte in jenen seelischen Bezirken, deren unantastbare Freiheit die Würde des Menschengeschlechtes ausmacht.

Grundsätzlich ist der Fall von solchem Gewicht, daß ich eine öffentliche Aussage zu machen habe: Die Gespräche, die seitens Nikolaus Ho-vorkas mit mir geführt wurden, schöpften aus dem gemeinsamen religiösen

Gut zweier Menschen, die, wenn sich auch ihre Wege getrennt hatten, sich in Vertrauen, Hilfsbereitschaft und in der gemeinsamen christlichen Zuversicht trafen, daß dem redlichen Wahrheitssucher, der „anklopft, aufgetan wird“. Unser Christsein und nichts anderes führte uns zueinander. Nicht ein einziges Mal bewegte sich unser Gedankenanstausch um irgendwelche politische Angelegenheiten, Parteiverhältnisse oder Parteipersonalien. Nicht zuletzt zeigte mir die strikte Loyalität und Delikatesse, die mein Partner gegenüber der Gemeinschaft, der er angehörte, in der Begrenzung der Aussprache bekundete, die Tiefe des seelischen Problems, um dessen Lösung es ging.

Sie erfolgte leise und stetig, wie eine Knospe sich öffnet. Im Kommunismus, in dem mein getrennter Freund der Befreiung des Menschen aus einer verrotteten Gesellschaftsordnung und aus den Mammonsmächten mit heißer Seele hatte dienen wollen, war er der souveränen Großmacht der toten Dinge begegnet, die aus ihrem System eine Philosophie, eine Religion und die Vergottung des Irdischen gemacht hat. Er hat ihr hartes, unerbittliches Gesetz schließlich an sich selbst bis zum letzten ausgekostet.

Nikolaus Hovorkas Abschiedsbrief an den Kommunismus liegt heute vor uns. Der Absendung an den Adressaten kam der Ausschluß zuvor. Das Schriftstück redet seine eigene Sprache; es atmet noch den Ruch der fremden Landschaft, die sein Schreiber verlassen hat, in seinen Worten zittert noch etwas von jenen schweren Kämpfen, aus denen der Sieger hervorging. Eine Konversion ist kein Rechenexempel, in dem alles sofort Null auf Null aufgeht. Jede echte Konversion umschließt Geheimnisse, vor denen man sich als Christ in Ehrfurcht beugt. Aber jede solche Heimkehr heißt frohlocken. Denn wie groß auch irdische Gewalt und die Macht der toten Dinge.sei — wir sehen: gegen sie kommt doch zum höchsten Ziele eine um die ewige Wahrheit ringende Seele, der gottvertrauende demütige Mensch. Vor diesem Sieg verschwindet alles andere in Nichts.

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