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Der Versuch, in einem zeitungsmäßigen Aufsatz das Wirken der Gesellschaft, die am 22. Oktober vor den Toren Wiens, in St. Gabriel, feierlich ihren 75-Jahr-Be-stand begeht, ausreichend darstellen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Eine Würdigung in solchem Rahmen kann nur in schwachen Umrissen ein Werk andeuten, das in Weltweite missionarisch-seelsorgerlicher, kultureller und wissenschaftlicher Zielstellung und Leistung sich spannt. Bereits vor 25 Jahren hat Professor Dr. Ernst Tomek die Entwicklung des Ordens der „Societas Verbi Divinl“ „ein einzigartiges Wunder der Kirchengeschichte“ genannt. Als Arnold Janssen mit zwei Gefährten das schlichte Gebäude, das gewesene Wirtshaus, in Steyl an der Maas, nahe der deutschen Grenze, bezog und am 8. September 1875 das erste deutsche Missionshaus eröffnete — die Linzer Dienstmagd Juliane Erlinger hatte mit einer Spende von dreißig Gulden den ersten Grundstein dazu gelegt —, schuf er die Wiege einer Gesellschaft, deren Lebenskreis heute auf der Weltkarte an den Linien von San Franzisco zur Südsee und von Chile nach Japan liegt. Die Bevölkerung, die ihre 25 eigentlichen Missionsgebiete umfassen, zählt 83 Millionen. Nicht überall ist das Arbeitsfeld heidnischer Ackerboden. In großen Ländern Südamerikas, wo die Seelsorge an Personalmarigel litt, sind heute rund 600 Mitglieder der Gesellschaft in Großstadtpfarren, Kolonistensiedlungen und Urwaldstationen tätig. Bisher sind insgesamt durch die Söhne Arnold Janssens sechs Millionen Menschen dem katholischen Christentum neu zugeführt worden. In diesem Reich der apostolischen Arbeit und der christlichen Kultur geht wahrlich die Sonne nicht unter. Man könnte sagen, in ihm verwirklichte sich ein idealer Völkerbund, in dem achtzehn Nationen und Völkerrassen, unter ihnen Japaner, Neger, Indonesier, Chinesen, durch ihre Söhne vertreten sind, vereinigt unter demselben missionarischen Hochziel, der Verchristlichung der Welt. Der erste Chinese, der in die Mitte des Kardinalkollegiums der katholischen Kirche trat, Thomas Tien, ist Mitglied der S. V. D.

Drei Männer waren es, die vor 75 Jahren das Werk begannen. Heute steht die Gesellschaft vom Göttlichen Wort an Zahl der Heidenmissionäre und Missionswerke an dritter Stelle der missionarischen Orden der Weltkirche, trotzdem die Verluste, die der zweite Weltkrieg ihr brachte, enorme gewesen sind: mehr als ein Viertel ihrer zum Waffendienste verpflichtet gewesenen 2300 Mitglieder ist gefallen oder verschollen, viele andere sind den kriegerischen Verheerungen zum Opfer geworden; dazu kamen Heimsuchungen, wie die sechs Jahre lange Stillegung von St. Gabriel, einer der größten geistigen Rüst- und Erziehungsstätten des Ordens. Aber seine Lebenskraft blieb ungebrochen. Er zählt heute (einschließlich der Ordenskandidaten) 8209 Mitglieder seiner Familie, 400 konnten seit Kriegsende wieder in den Missionsdienst entsandt werden.

Diese Ziffern zeigen nur die Konturen des gewaltigen Werkes. Außerhalb des religiösen Bereiches sucht man vergeblich nach einem Gegenstück ähnlicher erdumspannender Maße, das die letzten 75 Jahre hervorgebracht hätten. Den missionarischen Zielen ist eine reiche, zweckbewußte wissenschaftliche Tätigkeit zugeordnet, vor allem in der Völker- und Sprachforschung, deren Ertrag von der internationalen Wissenschaft längst gebucht worden ist. Drei Universitäten in Ostasien stehen unter der Leitung der

Gesellschaft; in ihren Schulen aller Art werden rund 100.000 Schüler in christlicher Lebenshaltung und Kultur erzogen; Gelehrte aus ihren Reihen wirken an den Universitäten in Wien, Rom, Freiburg in der Schweiz, Nymwegen und Washington. In 19 Sprachen spricht durch Zeitschriften und Bücher, von 16 Missionsdruckereien in aller Welt ausgehend, ihr Apostolat des gedruckten Wortes zu den Völkern. Die Niederlassungen in den europäischen Ländern, in Nord- und Südamerika sind Brennpunkte des geistigen Lebens ihrer Umgebung geworden. St. Gabriel ist dafür das österreichische Beispiel. Wie viel geistige Befruchtung ist von hier aus ins

Land hinausgetragen worden! Auch für die katholische Presse. Wer deren Geschichte kennt, kann nur mit tiefer Dankbarkeit des Anteils gprlenken, den sie dieser vornehmen Förderung, Mitarbeit und Beratung verdankt.

Die Frage liegt nahe: Wo liegt das Geheimnis dieser vereinzelt dastehenden Entwicklung, woher diese Spannkraft und das Ineinandergreifen der vielgestaltigen Einzelarbeit in das Gesamtwerk, woher diese erhabene Sicherheit und Ruhe des Schaffens inmitten einer in Unordnung geratenen, von dämonischen Kräften zerrütteten Umwelt? Hier überschreitet der Mensch die Grenzen rationaler Berechnung. Hier gibt ihm nur Auskunft der Gedanke, aus welchen Kraftquellen der Gnade eine Gemeinschaft schöpfen darf, in der jeder und alles vorbehaltlos und opferbereit hingeordnet ist auf die Erfüllung des Auftrages: „Gehet hin und lehret alle Völker!“

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