6776652-1969_25_09.jpg
Digital In Arbeit

Keine Kernwaffen im Meer

19451960198020002020

Nach zehnwöchigen Beratungen hat sich die Genfer Abrüstungskonferenz bis zum 3. Juli vertagt. Der scheidende amerikanische Chefdelegierte, Fisher, bezeichnete die Frühjahrstagung „eine jener Trächtigkeitsperioden, die konkreten Fortschritten auf diesem Gebiet vorangehen“.

19451960198020002020

Nach zehnwöchigen Beratungen hat sich die Genfer Abrüstungskonferenz bis zum 3. Juli vertagt. Der scheidende amerikanische Chefdelegierte, Fisher, bezeichnete die Frühjahrstagung „eine jener Trächtigkeitsperioden, die konkreten Fortschritten auf diesem Gebiet vorangehen“.

Werbung
Werbung
Werbung

Zumindest in einer Hinsicht, nämlich betreffs der Verhütung eines Wettrüstens auf dem Boden der Weltmeere, ist der Fortschritt bemerkenswert. Er ist aber auch in anderen Fragen festzustellen, so in bezug auf eine EinsteEung der Produktion von spaltbarem Material für Kernwaffen sowie auf ein Verbot von unterirdischen Atomwaffenversuchen und auf eine Verhütung einer Kriegsführung mit chemischen und biologischen Waffen.

Bereits zu Beginn der Frühjahrsta-gung hatte die Sowjetunion den Entwurf eines Vertrags vorgelegt, demzufolge „alle mit Kernwaffen oder anderen Waffen der Massenvernichtung bestückten Objekte“ und auch alle sonstigen militärischen Objekte von der Oberfläche und dem Untergrund der Meere und Ozeane verbannt werden würden. Der sowjetische Chefdelegierte Rostschin stellte klar, daß sich dieses Verbot auch auf rein defensive Vorrichtungen, wie zum Beispiel Systeme zur Ortung von U-Booten, erstrecken würde. Gerald C. Smith, der Leiter des US-Amtes für Rüstungskontrolle und Abrüstung, erklärte daraufhin, daß eine völlige Abrüstung des Meeresbodens „einfach undurchführbar und wahrscheinlich schädlich“ wäre.

Am Vorabend des Abschlusses der Frühjahrstagung legten die USA ihren eigenen Entwurf vor, der die künftigen Vertragspartner dazu verpflichtet, auf und unter dem Meeresboden weder Kernwaffen noch andere Waffen der Massenvernichtung oder dazugehörige Startrampen anzulegen. Fisher drückte die Meinung seiner Regierung aus, daß die Beschränkung des erwogenen Verbots auf Kernwaffen und andere Waffen der Massenvernichtung der einzige gangbare Weg zur Hintanhaltung eines Wettrüstens auf dem Meeresboden sein werde. Außerdem wären, so führte Fisher ferner aus, wirksame Kontrollen ohne so eine Beschränkung unmöglich, denn ließe man sich auf den sowjetischen Entwurf ein, müßte man auf dem 351 Millionen Quadratkilometer großen Gesamtboden der Weltmeere zahllose Objekte inspizieren, darunter viele unauffällige.

Gemäß dem sowjetischen Entwurf hätten die Vertragspartner „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit“ das Recht zur Inspektion. Nach Ansicht amerikanischer Experten wäre dies jedoch „ein illusorisches Recht“, denn wegen ungelöster technischer Schwierigkeiten könne man ohne die Mitarbeit des betreffenden Landes kaum an die Objekte heran. Nach dem US-Vorschlag stünde es den Vertragspartnern frei, die Tätigkeit anderer Staaten auf dem Meeresboden zu beobachten und, falls sich Fragen ergeben, sich in Zusammenarbeit mit diesen Staaten um Lösungen zu bemühen. Fünf Jahre nach Inkrafttretung des Vertrags würde eine Konferenz abgehalten werden, um den Fortschritt der Technik zu überprüfen und zu entscheiden, ob man neue Rechte und Kontrollverfahren hinzufügen sollte.

Fisher drückte jedenfalls die Hoffnung aus, daß trotz der bestehenden Unterschiede ein Abkommen schon während der Sommertagung erzielt werden könnte. Auch Roschtschin äußerte sich in diesem Sinne.

Was die Frage einer Einstellung der Erzeugung von spaltbarem Material für Waffen betrifft, so haben die USA ihren seit langem anhängigen Entwurf dahingehend geändert, daß nunmehr die Internationale Atom-energieönganisation die Einhaltung des Verbots kontrollieren würde. Vorher hatte Almerik vorgeschlagen, daß sich die Vertragspartner gegenseitig inspizieren. Großbritannien ist mit der neuen amerikanischen Anregung einverstanden, aber die Sowjetunion widersetzt sich weiterhin, und zwar mit der Begründung, daß die vorgeschlagene Einstellung der Erzeugung nicht mit einer Reduzierung der gegenwärtigen Vorräte an Atomwaffen verbunden wäre.

Der schwedische Delegierte Myrdal vertrat die Meinung, daß Abkommen über eine Einstellung der Produktion von spaltbarem Material für nichtfriedliche Zwecke sowie über ein Verbot unterirdischer Atomwaffenversuche als „Stützpfeiler“ eines amerikanisch-sowj etischen Vertrags über eine Begrenzung der strategischen Waffensysteme dienen könnten. Um die Kluft zwischen Washington und Moskaus Positionen hinsichtlich der Kontrolle eines Verbots unterirdischer Atomwaffenversuche zu überbrücken, brachte Schweden einen Entwurf ein, demzufolge im Falle verdächtiger unterirdischer Vorgänge Inspektionen an Ort und Stelle gestattet wären, allerdings nur auf Einladung des Staates, in dem es zur Störung kam. Demgegenüber besteht Amerika nach wie vor auf dem Recht der ganz freien Inspektion und will es selbstverständlich auch den künftigen Vertragspartnern einräumen; die Sowjetunion wiederum behauptet, daß „nationale Entdeckungsmittel“ genügen. Schweden und Kanada fanden viel Anklang in Genf, als sie sich bemühten, einen verstärkten Austausch seismologi-scher Angaben anzuregen. Das könnte die Arbeit in einer Zeit erleichtern, in der es noch nicht möglich ist, mit Instrumenten, die über große Distanzen arbeiten, mit hundertprozentiger Sicherheit festzustellen, ob es sich bei einem entfernten unterirdischen Vorgang um eine Atomexplosion oder um ein Erdbeben handelt

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung