Spaltung der Christenheit
"Die Hussitenbewegung in Böhmen". Von Josef M seek. Aus dem Tschechischen übersetzt von Egon Jifiček. Prag, Orbis, 1965. 13« Seiten, 24 Tafeln. — DIE ENTSTEHUNG DER KONFESSION. Grundlagen und Formen der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe. Von Ernst Walter Zeeden. München, Oldenbourg, 1965. 213 Selten.
"Die Hussitenbewegung in Böhmen". Von Josef M seek. Aus dem Tschechischen übersetzt von Egon Jifiček. Prag, Orbis, 1965. 13« Seiten, 24 Tafeln. — DIE ENTSTEHUNG DER KONFESSION. Grundlagen und Formen der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe. Von Ernst Walter Zeeden. München, Oldenbourg, 1965. 213 Selten.
Diese zwei Bücher beschreiben zwei Etappen auf dem Weg, der aus einer Christenheit, einer christlichen Kirche verschiedene Bekenntnisse entstehen ließ; auf dem Weg, von dem wir mit Gottes Hilfe zurückfinden wollen. Schon längst mußte man wünschen, ein handliches Büchlein wie das vom Spezialisten der Hussitenbewegung zu haben, um dem deutschsprachigen Leser eine Kurzgeschichte des für Böhmen entscheidenden, aber für Deutschland gleichfalls hochwichtigen Zeitabschnitts zu bieten. Man kann freilich nicht behaupten, daß seine Arbeit nichts zu wünschen übrig ließe. Ohne Mißverständnisse kann sie nur der lesen, der schon etwas von böhmischer Geschichte weiß. Ein Beispiel: „Als Folge dessen, daß das Bürgertum und das leibeigene Volk“ — NB war es gerade damals nicht leibeigen —, „die tschechisch sprachen, in den Vordergrund des politischen Lebens traten, gewann das Tschechische auch eine besondere Bedeutung und nahm einen gewaltigen Aufschwung.“
Letzteres stimmt gewiß: die hussitischen Manifeste des Lorenz v. Brezovä sind so ziemlich die schönsten, das katholische „Gespräch des Wenzel, Gallus und Tabor“ so ziemlich die witzigsten Verse des böhmischen Schrifttums. Aber wer würde nach diesem Satz vermuten, daß vorher, als den Vordergrund des politischen Lebens der Adel einnahm, dieser Adel in der Muttersprache Geschichte schrieb, Rechtsbücher verfaßte, Lehrgedichte und Liebeslieder hinterließ? Eine andere Bemerkung muß sich an den Übersetzer wenden. In tschechischen Schriften gedenken wir nach wie vor Österreichs Hauptstadt „Viden“ zu nennen (nur unter der Okkupation gab es ein „Mesto Wien“); wozu also eine „Schlacht bei Nemecky Brod“? Dann schon „bei Havlicküv Brod“, da ja der alte Name von Deutsch- brod Anno 1945 als untragbar empfunden wurde… Es gibt, weiß Gott, andere Kundgebungen nationalen Gefühls als solche terminologische Äffchen.
Der Titel des Buches von Zeeden ist dahin zu erläutern, daß es um die Entwicklung in deutschen Landen geht. Es enthält eine Wahrnehmung, die gerade für die anbrechende Zu kunft hochwichtig ist. Es wird sonnenklär gemacht, daß durch Doktor Luthers Auftreten eine neue Kirche nicht gegründet wurde, nicht gegründet werden sollte. Die Kirche sollte reformiert werden — was jeder anständige Katholik auch sagte. Reformieren konnte sie nur der Machthaber — in deutschen Landen der Landesfürst. Erst als es sich herausstellte, daß einige Landesfürsten eine Reformation wollten, die mit katholischer Lehre schlechterdings unvereinbar blieb — daß andere dem römischen Stuhl treu bleiben wollten und daß das so bleiben würde, erst dann konstituierte sich ein Lutherisches Bekenntnis.
Und so ging dann die Glaubensspaltung weiter. In einem gewissen Sinn kann man daher sagen, das berüchtigte „Cuius regio“ sei eine Äußerung katholischen Instinkts. Der Landesfürst durfte die Handhabung der Kirchenzucht gerade darum beanspruchen, weil es sich ja ursprünglich nicht um die Einführung eines neuen Glaubens handelte, sondern um konkrete Regelung bis zur allgemeinen, auf einem freien Konzil zu beschließenden Reformation. Nun, ein Reformkonzil haben wir ja soeben; die Folgen stehen in Gottes Hand.
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