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STIMMEN
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„Die Oesterreichische Furche*
„Deutsche Kommentare“, Stuttgart, 8. August 1953
„Der österreichische Außenminister Doktor Gruber hat den Mut zu einer direkten Initiative auigebracht und die Rüge nicht gescheut, Wien habe ohne Wissen der Westmächte in Moskau verhandelt. Dr. Gruber könnte den Westmächten mit Recht den Vorwurf machen, daß es ihnen in vielen Noten und aut mehr als 250 Sitzungen der Vier-Mächte-Kommission über den österreichischen Staatsvertrag nicht gelungen ist, klipp und klar lestzuslellen, was denn nun eigentlich die Russen als Gegengabe lür den Abzug ihrer Besatzungstruppen und die Räumung ihrer Position in Oesterreich verlangen. Oesterreich aber hat ein größeres Interesse, dies zu erfahren, als die Westmächte, und so bemühte sich Dr. Gruber um einen Kontakt mit Moskau, und wie in Korea und Peking stand auch hierfür eine indische Vermittlung zur Verfügung. Im Gegensatz zu unserer Bundesrepublik hat Wien daneben einen Botschalter in Moskau, und so könnte man folgern, daß in Bonn ein noch stärkeres Bedürfnis nach einer Kontaktmöglichkeit bestehen sollte, wofür ein Inder sicher auch uns zur Verfügung stünde. Dr. Adenauer hat seinen Sommerurlaub diesmal nicht auf dem Bürgenstock in der Schweiz verlebt, sondern auf der Bühlerhöhe bei Baden-Baden. Schade! Denn gerade in diesem Sommer befand sich der indische Botschafter in Moskau, Menon, aut dem Bürgenstock, um einen noch prominenteren Besucher, seinen Ministerpräsidenten Pandit Nehru, dort zu begrüßen. Aul dem Bürgenstock wurde in diesem Sommer etwas Weltpolitik gemacht, und dort war es auch, wo Dr. Gruber den indischen Diplomaten traf. Menon nahm nach Moskau den österreichischen Wunsch mit, zu erfahren, welche Forderungen der Kreml eigentlich noch zum österreichischen Staatsvertrag haben könne. Molotow hat auf diplomatischem Weg hierzu eine Interpretation gegeben und in Wien wissen lassen, Oesterreich müsse sich verpflichten, nicht dem Atlantikpakt beizutreten und keinen wie immer gearteten Pakt mit den Westmächten oder einer von ihnen abzuschließen. Ist das nun etwas Neues? Der Unterschied zwischen Wien und Bonn besteht darin, daß Wien diesen russischen Sicherheitswunsch bejaht und niemals die Absicht ■gehabt hat, ein militärisches Westbündnis abzuschließen. Wien hat auch heute nicht diese Absicht, sondern verlangt seine Freiheit ohne Militärbündnis. Ein weiterer Unterschied zwischen der österreichischen und der deutschen Lage besteht darin, daß auch die Westmächte im österreichischen Fall kein Militärbündnis verlangen, sondern genau wie Moskau sich für Oesterreich mit dem Status der .bewaffneten Unabhändgigkeit' bereits einverstanden erklärt haben. Bundeskanzler Raab hat dieses Programm der bewaffneten Unabhängigkeit von seinem Vorgänger Figl übernommen und in einem Kommentar zu dem Notenwechsel mit Moskau diese österreichische Sonderstellung zwischen den Mächten gegen den Vorwurf einer moskaufreundlichen Politik verteidigt. Der Form nach sind die Moskauer Forderungen in die Ablehnung des Kurzvertrages gekleidet, den die Westmächte an die Stelle des großen Stapts- und Friedensvertrages setzen wollten, als über diesen eine baldige Einigung nicht mehr möglich schien. Was die Russen nun eigentlich .wollen (und was daher auch für die Deutschlandtrage aufschlußreich ist), geht im einzelnen aus den Beanstandungen hervor, die Moskau gegen den Kurzvertrag erhebt. Neben dem genannten Verstoß gegen die Moskauer Oesterreicherklärung von 1943 beanstandet Moskau in pikanter Weise, daß der Kurzvertrag die Bestimmungen des Staatsvertrages über die Gleichheit aller Bürger, über ihre Menschenrechte und über — die freien Wahlen ausgelassen habe! Die wichtigste Beanstandung aber ist die folgende: Es ist bemerkenswert, daß der Entwurf des Kurzvertrages Oesterreichs Recht auf eine nationale Streitmacht, wie sie für die Verteidigung des Landes notwendig ist, nicht verbürgt, obschon der ursprüngliche Entwurf für einen Staatsvertrag diesbezügliche Bestimmungen enthielt. Wer Augen hat zu lesen, kann nicht mehr vorgeben, die russischen Bedingungen für eine Viererkonferenz auf höchster Ebene nicht zu kennen.“
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