6735231-1966_17_11.jpg
Digital In Arbeit

Vor 100 Jahren war Königgrätz

19451960198020002020

KÖNIGGRÄTZ. Von Gordon A. Craig. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien—Hamburg, 1966. 348 Seiten, 11 Kartenskizzen. Preis 130 S.

19451960198020002020

KÖNIGGRÄTZ. Von Gordon A. Craig. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien—Hamburg, 1966. 348 Seiten, 11 Kartenskizzen. Preis 130 S.

Werbung
Werbung
Werbung

Zu den britischen Autoren, die sich auch mit österreichischer Militärgeschichte befassen, wie Crankshaw, Duffy, Falls und Presland, hat sich 1964 Craig gesellt. Der an der Stan- ford-University lehrende schottische Historiker verfaßte eine Detailbeschreibung der Schlacht von Königgrätz, gestützt auf Generalstabswerke, Truppengeschichten, Biographien, Memoiren und Zeitungsnachrichten, aufgelockert durch Wenn-Betrachtungen, Augenblicksbilder und Anekdoten, dadurch von plastischer Wirkung für Leser, die trockenen Gefechtsschilderungen aus dem Wege gehen. Unter den Schriften über 1866 wird sich Craigs Werk einen dauernden Platz sichern, für die ängelsächsische Welt bedeutet es eine treffliche Orientierung über das Lieblingsthema Königgrätz. Da 70 Prozent der benützten Literatur aus Deutschland stammen, ruht der Schwerpunkt auf der preußischen Armee. Der Autor glaubt zwar nicht an die ausschlaggebende Rolle des Zündnadelgewehrs, bringt aber eine derartige Fülle von Daten über die dezimierende Wirkung dieser Waffe, daß daraus die strategische und operative Lähmung der österreichischen Fühlung klar hervorgeht. Feldzeugmeister von Benedek wird als bewährter Truppenführer, hervorragender Soldat und untadeliger Charakter gezeigt, und wenn Craig schreibt, daß das Regime „für die Niederlage von Königgrätz in höherem Maß die Verantwortung trug als er“, wird damit indirekt zugegeben, daß eben nicht eine falsche Strategie, sondern die Rüstungspolitik, das heißt, die Gewehrfrage der wahre Schuldige war.

Von den 93 zitierten Buchtiteln entfallen bloß zwölf auf Österreich, neben biographischen Arbeiten und einer Truppengeschichte werden das Generalstabswerk, Wilhelm Alter (fällt als Fälschung aus!), Fried jung, Mollinary und des Rezensenten „Feldzeugmeister Benedek“ verwertet. Unwillkürlich kommen derart die Österreicher etwas zu kurz, denn nach einem zweifellos sehr berechtigten Lob der preußischen Soldaten ist zum Beispiel zu lesen: „In der österreichischen Armee fehlten diese Entschlossenheit und Widerstandskraft völlig“, was allerdings durch die Hervorhebung des Ringens um den Swiepwald und um Chlum widerlegt erscheint. In der Vorgeschichte der Schlacht dürfte die zum Verständnis unerläßliche potentielle Gegenüberstellung der Streitkräfte für den Durchschnittsleser zuwenig detailliert sein. In Österreich ergeben sich noch einige kleine Randbemerkungen: Erzherzog Albrecht war seit 10. Juli 1866 Kommandant aller Armeen, daher mit dem gegen Benedek eingeleiteten Verfahren pflichtig befaßt; die Anklagepunkte stammen von Friedrich Beck; die Re- digierung des Kommuniques vom 8. Dezember durch den Erzherzog und John muß keineswegs eine Verschlechterung des Textes herbeigeführt haben; daß Erzherzog Albrecht Benedek ein persönliches Schweigeversprechen abgenommen hätte, ist durch Eduard Heller widerlegt worden.

Der Rezensent stellt mit Genugtuung fest, daß Professor Craig den „Feldzeugmeister Benedek“ mehrfach heranzieht, wo er dessen auf Erschließung neuer Quellen fußenden Feststellungen nicht beipflichtet, macht er für den Leser entsprechende Hinweise. Solcherart bleibt die Türe offen für weiteren Meinungsaustausch, und es wäre ein schönes Beispiel internationaler militärgeschichtlicher Zusammenarbeit, würde es mit der Zeit gelingen, durch Koordinierung der österreichischen Forschung mit den in vielem sicher unbefangeneren Ansichten eines prominenten ausländischen Historikers die letzten noch strittigen Königgrätz-Fragen aus der Welt zu schaffen. Oskar Regele

DER DEUTSCHE BRUDERKRIEG 1866. Von Fritz Stüber (Ekartschriften 18). 80 Seiten. Verlag der österreichischen Landsmannschaft, Wien, 1966.

Nichts ist gefährlicher als die Propagierung von Halbwahrheiten. Ob sie nun für den Leser bestimmt sind oder ob der Verfasser selbst daran glaubt, ist gleich. Wir konnten eigentlich erwarten, daß das Jahr 1966 Schriften bringen werde, die als Erinnerung an das tragische Jahr 1866 gedacht sind, das die letzte Phase der österreidiisch-preußischen Auseinandersetzung war. — Dieses Büchlein ist, wie es bekennt, vom „gesamtdeutschen“ Standpunkt aus geschrieben. Dieser Terminus, in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen geschaffen, sollte damals eine „Versöhnung“ zwischen dem sogenannten „großdeutschen“ und dem sogenannten „kleindeutschen“ Standpunkt bringen. Dazu gehört natürlich, daß man in der üblichen deutschromantischen Weise gleich zu Beginn von einer „deutschen“ Kaiserkrone spricht, wenn man aie römische Krone meint (Seite 6), und daß man die Aufgabe der Deutschen darin sieht, die Donauvölker in irgendeiner Form zu patronisieren, wenn nicht zu beherrschen. Daß gerade an diesem Versuch, die Donauländer als Expansionsgebiet deutscher Machtgeltung zu betrachten, die Österreichisch-Ungarische Monarchie zugrunde ging, scheint noch immer nicht klar geworden zu sein. Daß man den bedeutendsten Gegenspieler Bismarcks in Preußen, Constantin Frantz (so und nicht „von Franz“, Seite 68) nicht einmal richtig schreiben kann, verrät, wie man mit der Benützung von wirklich einwandfreien Quellen steht. Das bedenklichste an dem Büchlein ist aber die verhüllte und doch so leicht verständliche Anschlußpropaganda, die hier gemacht wird. Wir zitieren wörtlich: „Das, was wir Deutschland nennen, ist größer als jedes jeweilige Produkt der Staatskunst und -künstelei. Es hat den Bruderkrieg von 1866 überlebt, wie es schon vorher den Westfälischen Frieden und die Deutsche Bundesakte überlebt hat. Es wird auch den heutigen Niederbruch überleben“ (Seite 69). Wir jedenfalls halten dafür, daß noch immer der alte Wahrspruch AEIOU Gültigkeit hat, auch wenn viele dies nicht wahrhaben wollen. Österreich hat 1938 überdauert, es wird auch jene überdauern, die seine Geschichte nicht begreifen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung